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Der Gott seiner Vaeter

Der Gott seiner Vaeter

Titel: Der Gott seiner Vaeter
Autoren: Jack London
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Schließlich bin ich doch dieselbe. Und du bist auch derselbe, wenn du es nur sehen wolltest. Wir haben uns nicht verändert.«
    Sie legte ihm die Hand auf die Schulter; er streckte den Arm aus und wollte sie in einer heftigen Umarmung an sich reißen, als das knisternde Geräusch eines Streichholzes ertönte. Winapie, die keinen Teil hatte an dem, was in ihrer Nähe vorging, war im Begriff, den langsam zündenden Docht der Tranlampe anzustecken. Es war, als tauchte sie auf vor einem Hintergrund aus tiefstem Schwarz, und die Flamme, die plötzlich hochschlug, ließ ihre bronzene Schönheit wie reines Gold glühen.
    »Du siehst selbst, daß es unmöglich ist«, stammelte er, indem er die blonde Frau zurückschob. »Es ist unmöglich«, wiederholte er. »Es ist unmöglich.«
    »Ich bin kein junges Mädchen mit den Illusionen eines jungen Mädchens«, sagte sie sanft, wagte diesmal aber nicht, sich ihm zu nähern. »Weil ich eine reife Frau bin, verstehe ich es. Männer sind Männer. Ein allgemeiner Brauch hier im Lande. Es stört mich nicht. Ich erriet es gleich. Aber es ist nur eine von den Ehen, wie sie hier im Lande geschlossen werden, keine richtige Ehe – nicht wahr?«
    »Danach fragen wir hier in Alaska nicht«, entgegnete er unsicher.
    »Ich weiß, aber – «
    »Nun ja, es ist nur eine der Ehen, wie sie hier im Lande geschlossen werden – nichts anderes.«
    »Und es ist kein Kind da?«
    »Nein.«
    »Und auch keine – «
    »Nein, nein – nichts, aber es ist unmöglich.«
    »Aber nein, das ist es nicht!« Sie stand wieder neben ihm, und ihre Finger berührten leicht und kosend seinen sonnenverbrannten Handrücken.
    »Ich kenne nur allzu gut die Bräuche des Landes. Das ist etwas, was jeden Tag vorkommen kann. Männer können es nicht ertragen, ihr ganzes Leben von der Welt abgeschlossen hierzubleiben, und da geben sie einfach der Company Auftrag, Proviant für ein Jahr und eine Summe Geldes zu zahlen – und das Mädchen ist es zufrieden. Und es dauert nicht lange, und ein Mann – « – sie zuckte die Achseln. »Und so steht es auch mit dem Mädchen hier. Wir werden der Company Auftrag geben, sie mit Proviant zu versehen, nicht für ein Jahr – sondern auf Lebenszeit. Was war sie, als du sie fandest? Ein primitives, fleischfressendes Weib, Fische im Sommer, Elche im Winter – Überfluß, wenn es Nahrung genug gab – Hungersnot, wenn Mangel herrschte. Wärst du nicht gewesen, sie hätte weiter so gelebt. Gehst du, so ist sie glücklicher gewesen, weil du ihren Weg gekreuzt hast, und ihr bleibt die Gewißheit, daß sie in verhältnismäßiger Herrlichkeit leben und glücklicher sein kann, als wenn du nie gewesen wärst.«
    »Nein, nein«, wandte er ein, »es ist Unrecht.«
    »Sieh, David, du mußt verstehen. Sie ist nicht deinesgleichen. Es gibt keine Rassegemeinschaft zwischen dir und ihr. Sie ist ein wildes Geschöpf, aus dem Boden des Landes gewachsen, und sie ist immer noch bodennahe, und es ist ihr unmöglich, sich von ihm zu lösen. Sie ist unter Wilden geboren, und eine Wilde wird sie bleiben bis zu ihrem Tode. Wir aber – du und ich – die herrschende, weitentwickelte Rasse –, wir sind das Salz der Erde, und wir sind die Herren der Erde! Wir sind füreinander geschaffen. Der höchste Ruf ist der der Rasse, und wir sind von einer Rasse. Vernunft und Gefühl sagen uns das. Selbst deine Instinkte fordern es. Das kannst du nicht leugnen. Du kannst nicht von den Generationen hinter dir fortkommen. Du stammst von einem Geschlecht ab, das tausend Jahrhunderte gelebt hat und das nicht mit dir aufhören darf. Das kann es nicht – die Generationen hinter dir erlauben es nicht. Der Instinkt ist stärker als der Wille. Die Rasse ist mächtiger als du. Komm, David, laß uns gehen. Wir sind noch jung, und das Leben ist schön. Komm!«
    Sein Blick fiel auf Winapie, die in diesem Augenblick aus der Hütte trat, um die Hunde zu füttern, und er schüttelte den Kopf und wiederholte schwach seine früheren Worte. Aber die Frau schlang ihm den Arm um den Hals und preßte ihre Wange gegen die seine. Sein trauriges Leben stand mit qualvoller Klarheit vor ihm – der aussichtslose Kampf mit den unbarmherzigen Kräften, die traurigen Jahre mit Frost und Hungersnot, das primitive Leben mit seinen schneidenden Disharmonien, die nagende Leere, die selbst das tierische Dasein nicht ausfüllen konnte. Und hier neben ihm – die Versuchung, die Stimme, die von lichteren, wärmeren Ländern, von Musik, Licht und Freude
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