Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gott seiner Vaeter

Der Gott seiner Vaeter

Titel: Der Gott seiner Vaeter
Autoren: Jack London
Vom Netzwerk:
Augenblick – Leute, die gesehen haben, wie es zuging, erinnerten sich dessen – zog sich das junge Mädchen erschrocken zurück, dann aber wurden einige Worte zwischen den beiden gewechselt, und Freda, die große Freda, sank ganz zusammen und weinte, den Kopf an die Schulter der Hauptmannsgattin gelehnt. Dawson sollte nicht erfahren, warum Frau Eppingwell eine griechische Tänzerin um Verzeihung gebeten hatte, doch sie tat es öffentlich, und das war unschicklich.
    Aber wir dürfen Frau McFee nicht vergessen. Sie nahm ein Billett erster Klasse für den ersten auslaufenden Dampfer. Außerdem nahm sie eine Theorie mit, die sie sich in wachen Stunden in den langen dunklen Nächten zurechtgelegt hatte, nämlich, daß die Menschen im Nordland so unchristlich sind, weil es so kalt ist. In einem Eisschrank kann man nicht die Furcht vor dem Höllenfeuer erwecken. Das klingt vielleicht etwas merkwürdig, aber so ist nun einmal Frau McFees Theorie.

Der Gott seiner Väter

    Nach allen Seiten erstreckte sich der Urwald – die Stätte lärmender Lustspiele und stummer Tragödien. Hier wurde der Kampf ums Dasein immer noch mit der ganzen Brutalität einer entschwundenen Zeit geführt. Brite und Russe hatten noch nicht um die Macht zu kämpfen begonnen in dem Land, wo der Regenbogen endete – und das war mitten in seinem Herzen –, und auch das Gold des Yankees hatte noch nicht seine unermeßlichen Gebiete gekauft. Das Wolfsrudel hing sich noch an die Flanken der Rentierherde, wählte sich die Schwachen und Trächtigen aus und riß sie nieder, ebenso schonungslos, wie es vor tausend und abertausend Generationen geschehen sein mochte. Die spärliche eingeborene Bevölkerung anerkannte noch die Herrschaft ihrer Häuptlinge und Medizinmänner, vertrieb böse Geister, verbrannte ihre Hexen, stritt sich mit ihren Nachbarn und fraß ihre Feinde mit einem Wohlbehagen, das von einer ausgezeichneten Verdauung zeugte. Aber die Steinzeit begann sich ihrem Abschluß zu nähern. Auf unbekannten Pfaden und durch unerforschte Wüsten kamen die Vorläufer des Stahls schon gezogen – blauäugige, unbezwingliche Bleichgesichter, die Verkörperung der ewigen Rastlosigkeit ihrer Rasse. Zufällig oder mit Überlegung, einzeln oder zu zweien und dreien kamen sie – niemand wußte woher – , kämpften, starben oder zogen weiter – niemand wußte wohin. Die Priester wüteten gegen sie, die Häuptlinge riefen ihre Mannen zusammen, und Steine klirrten gegen Stahl, aber das alles half nichts. Wie Wasser, das aus einem mächtigen Behälter sickert, kamen sie ganz langsam durch die dunklen Wälder und über die Gebirgspässe, fuhren die großen Straßen des Landes in Rindenkanus hinab oder traten mit ihren mokassinbekleideten Füßen den Weg für die Wolfshunde. Sie gehörten einem mächtigen Geschlecht an, und ihrer Mütter waren viele, aber das sollten die pelzgekleideten Bewohner des Nordlands erst später erfahren. Manch unbesungener Wanderer kämpfte seinen letzten Kampf und erlitt den Tod unter der kalten Flammenglut des Nordlichts, wie seine Brüder in brennendem Sand und in dampfenden Urwäldern den Tod erlitten hatten und wie sie ihn ferner erleiden werden, wenn die Zeit gekommen ist und das Schicksal ihrer Rasse sich erfüllt.
    Es war kurz vor Mitternacht. Am nördlichen Horizont zeigte sich eine rosige Glut, die nach Westen blasser und nach Osten roter wurde – die Mitternachtssonne, die sich hinter den Horizont zurückgezogen hatte. Dämmerung und Morgengrauen gingen ineinander über, so daß es keine Nacht gab – ein Tag vermählte sich einfach dem andern, ein kaum sichtbarer Übergang zwischen zwei Sonnenkreisungen. Ein Schneesperling zwitscherte ein furchtsames Gute Nacht, ein Rotkehlchen begrüßte das Kommen des Morgens mit vollen, klaren Tönen. Von einer Insel im Yukon sandte eine Kolonie von Wildenten ihre Klage über das unendliche Unrecht aus, das sie erlitten, während ein Eistaucher auf der andern Seite des stillen Flusses sein Spottgelächter anstimmte.
    Im Vordergrund, am Ufer eines träge rinnenden Wirbels lagen Birkenrindenkanus zu je zweien und dreien. Elfenbeinspeere, Pfeile mit Widerhaken aus Knochen, Bogen mit Sehnen aus Wildleder und einfache geflochtene Fallen zeugten davon, daß der Lachsfang in der trüben Flut des Flusses schon begonnen hatte. Im Hintergrund des ganzen Labyrinths von Zelten und Rahmen zum Dörren der Fische erklangen die Stimmen der Fänger. Junge Männer lärmten mit andern jungen Männern
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher