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Der Glanz der Welt

Der Glanz der Welt

Titel: Der Glanz der Welt
Autoren: Michael Amon
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Feind.
    Eines Morgens in aller Frühe
    trafen wir auf unsern Feind.
    Wir leerten die Gläser, unsere Stimmen verebbten. Es war Zeit, nach Hause zu gehen. Der neue Tag würde vielleicht die eine oder andere Antwort bringen.

3. KAPITEL | Feine Leute
    Die Gefechtslage war äußerst unübersichtlich an diesem Abend im Giacomos. Nur die Speisekarte war von unmissverständlicher Deutlichkeit.
    „I mag keine Polenta“, nörgelte Fifi mit jenem nasalen Ton, der in ihren Kreisen als vornehm galt, einem auf spezielle Art ungepflegten Schönbrunner Deutsch. Sie zog das „a“ in „mag“ etwas in die Länge und ließ es wie ein verhuschtes „o“ klingen: „moog“, entsprechend etwa dem schwedischen „å“. Sie war ebenso dürr wie reich. Mit vollem Namen hieß sie Fifi Kacerovsky-Cavallina, aber das war nur die halbe Wahrheit. Der steinreiche Kacerovsky-Clan besaß auf allen Kontinenten Fabriken und hatte ihr verboten, den Clan Namen zu tragen, mit dem Argument, dass ihr dieser nach der örtlichen Gesetzgebung nicht zustand. In Wahrheit war man der Ansicht, dass ihre Umtriebe dem Ansehen der Familie schadeten, denn unter der Belastung eines sicheren Milliardenerbes hatte sie sich auf der Suche nach Mr. Right durch die europäische Hochfinanz gevögelt.
    Ergebnis dieser Verzweiflung war die Ehe mit Exfinanzminister Grapschmann, einem zehn Jahre jüngeren Pseudoschönling mit homophiler Anmutung, öligem Dauerlächeln und skandalumwitterten Geschäften in der europäischen Tieffinanz. Seit dieser Verehelichung hieß sie eigentlich Grapschmann Cavallina. Der Boulevard blieb jedoch beharrlich bei Kacerovsky, das klang weltläufiger und machte einfach mehr her.
    Wohlgesonnene Boulevardzeitungen beschrieben sie als wunderschön, ihre Feinde nannten sie faccia cavallina , „Pferdegesicht“, Insider sprachen von ihr als l’ereditiera , „Erbin“. Gemeinsam mit Grapschmann füllte sie die Gesellschaftsspalten und bediente die feuchten Träume einfacher Bürgerinnen und Bürger.
    „I mag keine Polenta“, wiederholte sie. Grapschmann saß mit seinem im Gesicht eingemeißelten Lächeln neben ihr, das Sakko weit offenstehend, damit jeder seine sagenhafte blütenweiße Weste sehen konnte.
    „Nimmst halt Kutteln in Barolo“, sagte Grapschmann mit weltmännischer Geste, die allerdings nicht sehr weit ausholend ausfiel, weil man allzu knapp aneinandergedrückt in der Auslage des Giacomos’ saß. Draußen schlenderten gelangweilte Touristen vorbei und wussten nicht, wer da vor ihnen in der Auslage hockte. Denn der ganze vordere Teil des Giacomos’ war Auslage, Tische hinter Fensterscheiben. Anfangs, in den ersten paar Wochen nach der Eröffnung, hatten die Wiener sich noch die Nasen an den Auslagenscheiben plattgedrückt, ihr heißer Atem hatte das Glas sich unappetitlich beschlagen lassen. Inzwischen gingen sie stoisch und ohne von den Prominenten Notiz zu nehmen vorbei, denn es saßen sowieso immer dieselben Schaufensterpuppen herum. Die angeborene, mit Scharm unterlegte Arroganz der Wiener, die in der Erkenntnis gipfelte „In meinem Viertel bin ich selbst ein Prominenter“, sorgte dafür, dass diese anfängliche Neugier bald der Gleichgültigkeit wich. Man sah die Leute ohnedies am nächsten Tag in der U-Bahn-Zeitung, in den Klatschspalten der Tagespresse oder abends in den Gesellschaftsnachrichten des Fernsehens. Also wozu sich am Vorabend die Köpfe verrenken.
    „Kutteln, spinnst?“, antwortete Fifi angewidert. „Diesen Arme-Leute-Fraß muss i net haben!“
    „Die kosten 22 Mäuse“, sagte Klaus-Hugo Grapschmann, il ministro , wie man ihn seiner verwegenen Vergangenheit wegen nannte. Seine Geldgier war legendär, der Taft auf seinen toupierten Haaren unübersehbar und das Weiß seiner Weste wie erwähnt spektakulär.
    „Sprich nicht so vulgär, Klausi“, rang Fifi um Fassung. „I mag das alles net!“
    „Dann nömm halt um Gottef Wöllen einen Hummer“, warf Schnittling sich in die Schlacht.
    Kein Promi ohne Sprachfehler schien das Motto dieser Stadt zu sein. Sie begegneten einem überall: im Fernsehen, in der Politik und selbst so mancher Schriftsteller gab bei seinen Lesungen den Zuhörern dank der Unfähigkeit, ein „S“ zu artikulieren, Rätsel auf. Seit die Deutschen das Burgtheater erobert hatten, war – dem Diktum eines alten, inzwischen verstorbenen Billeteurs zufolge – das Zuzeln, wie man hier den S-Fehler nannte, zur Amtssprache geworden.
    Thaddäus Schnittling XVI., ein Privatbankier in xter
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