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Der Glanz der Welt

Der Glanz der Welt

Titel: Der Glanz der Welt
Autoren: Michael Amon
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zischelte Fifi, hinten mit Doppelt. Grapschmann grinste unentwegt. Fifi schüttelte nochmals mit unwirscher Bewegung ihre Haare zurecht und stöckelte aus dem Lokal. Grapschmann blickte ihr versonnen nach und sagte: „Sie meint es nicht so!“
    „Kannft du mör diefe Frau ön Hönkunft böttschön erfparen“, sagte Schnittling.
    „Das wird wohl schwer gehen“, sagte Grapschmann, „wir sind verheiratet.“
    „Ach ja, verheiratet. Na und?“ Schnittling schaute verständnislos in die Runde.
    „Hätte ich ledig bleiben sollen? Glaubst du, ich lass so ein Goldvögelchen wieder davonflattern? Wenn sich so eine Chance bietet, muss man schnell zugreifen und heiraten.“
    „Wie viel zahlt fie dör?“, wollte Schnittling wissen.
    „So einfach ist das nicht“, erklärte Grapschmann, „wir haben einen Ehevertrag gemacht. Sie stellt die Villen und das Personal zur Verfügung, aber ich muss mindestens eine Million Euronen pro Jahr in die Haushaltskasse einzahlen.“
    „Eine Mille, nicht schlecht, Herr Specht“, seufzte Schmock, „das musst erst mal jemandem abknöpfeln.“
    „Was glaubst, warum ich mit euch Geschäfte mache? Damit ich es mir leisten kann, mich von einer Milliardärin aushalten zu lassen. Für die Fifi ist die Million doch nur ein Beitrag zur Kaffeekassa. Und für dich“, Grapschmann schaute Schnittling an, „für dich ist das schließlich auch nicht mehr als die Portokassa.“
    „Seit man möch dauernd ön U-Haft nömmt, öst die Portokaffa auch nöcht mehr daf, waf fie einmal war.“
    Schnittling schaute dabei sehr, sehr traurig drein. Wenn ihm etwas wirklich zu Herzen ging, dann waren es Geldfragen.
    In diesem Moment schwang die Tür auf und ein Zeitungskolporteur stürmte ins Giacomos, blieb zwei Meter nach dem Eingang abrupt stehen, hielt mit der linken Hand die Abendausgabe vom Blatt so in die Höhe, dass jeder im Lokal sie sehen und die Schlagzeile lesen konnte: „Rätsel um den Toten vom Dom“, darunter das Bild eines Mannes in mittleren Jahren. Schnittling winkte dem Kolporteur zu, der ging mit großen Schritten die wenigen Meter zum Tisch von Schnittling. Während der ganzen Zeit hielt er die Ausgabe vom Blatt in die Höhe und holte gleichzeitig mit der rechten Hand einneues Exemplar aus seiner Umhängetasche, das er vor Schnittling auf den Tisch legte.
    „Einsfuffzig“, sagte der Kolporteur, was einsfünfzig heißen sollte und der Preis für Das Blatt war. Schnittling kramte in seiner Sakko-Innentasche, warf ein paar Münzen, Gesamtwert einseinundfünfzig, vor dem Kolporteur auf den Tisch und winkte abwehrend mit der Hand: „Ftömmt schon!“ Stimmt schon, wie man hierorts sagt, wenn der Rest des Geldes nicht zurückerwartet wird, sondern als Trinkgeld den Besitzer wechselt.
    Vermutlich hatte der Kolporteur Schnittlings Worte nicht verstanden, aber jahrelanges Dahinvegetieren als prekär Beschäftigter und die Beobachtung der Reichen in den Nobellokalen der Innenstadt hatten ihn gelehrt, nicht lange zu fragen beim Nehmen und ein Trinkgeld, stimmt schon, der Rest ist für Sie, stillschweigend vorauszusetzen. Warum sonst sollte einer mehr Münzen auf den Tisch werfen, als zur Bezahlung nötig waren! Eine der Münzen rollte in großem Bogen zum Tischrand. Bevor sie hinunterfallen konnte, hatte der Kolporteur sie erhascht, sammelte mühsam die anderen, auf der Tischplatte wie festgeklebt liegenden Münzen ein – vor allem die 1-Cent-Münze ließ sich wegen ihrer Kleinheit fast nicht erfassen –, er murmelte etwas, das nach „danke“ klang, drehte sich noch einmal so um sich selbst, dass jeder im Giacomos die Schlagzeilen sehen konnte, hielt einen kurzen Moment inne, aber da war kein weiterer Interessent. Also, nichts wie raus und ab ins nächste Lokal. Es war ein beschissenes Groschengeschäft in einer beschissenen Zeit. Und in den beschissenen Euro-Zeiten war es ein beschissenes Euro-Cent-Geschäft. Immer noch besser, als in Kairo in einem Slum zu hocken. Aber wieso manche Leute im Gegensatz zu ihm im Zeitungsgeschäft wohlhabendoder gar reich geworden waren, das verstand er bis heute nicht, Achmed der Ägypter, wie ihn alle nannten.
    „Wo du diese 1-Cent-Münzen nur hernimmst“, sagte Schmock bewundernd, „nicht schlecht, Herr Specht.“
    „Man muf eben ömmer für alle Fälle daf nötöge Kleingeld haben“, lächelte Schnittling versonnen. „Das nötige Kleingeld haben“ hieß schließlich nichts anderes, als unermesslich reich zu sein, steinreich. So reich, dass man
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