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Der Glanz der Welt

Der Glanz der Welt

Titel: Der Glanz der Welt
Autoren: Michael Amon
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Generation, folglich auch il banchiere genannt, zuzelte nicht richtig, es war mehr ein britisches „th“, in das er jeden S-Laut verwandelte. Wahrscheinlich hielt er das für vornehm, denn er war in den teuersten Internaten Europas gewesen, hatte zuerst Englisch und dann erst Deutsch gelernt. Und irgendwo inmitten dieser Sprachstudien war dann aus dem „I“ ein „Ö“ geworden, aber nur beim kurzen „I“, „ie“ blieb „ie“, „ih“ blieb „ih“. Das gab ihm – gemeinsam mit den froschähnlichen Glupschaugen, die jeden Moment aus ihren Höhlen zu rollen drohten – einen etwas dekadenten Anstrich.
    Die Schnittlings waren eine der bekanntesten Familien des Landes und hatten einst mit ihren Lebensmittelgeschäften die ganze Republik überzogen. Doch die Jahre vergingen, ebenso wie die kaufmännischen Talente, und Schnittling XVI. konnte einen Kronprinz-Apfel nicht von einem Granny Smith unterscheiden, Teebutter nicht von Margarine. Nur Dollar von Euro und Renmimbi von Peso. Eine einschlägige, aber einseitige Bildung. Das waren keine guten Voraussetzungen für den Handel mit Lebensmitteln. Er war lieber Banker, das versprach wenig Arbeit und viel Geld. Und genau mit diesem Versprechen lockte er den Leuten das Geld für seine dubiosen Anleihen und Anteilscheine aus der Tasche. Statt mit Salatköpfen und Essiggurkerln handelte er mit Hoffnungen, denn die starben im Gegensatz zu Ersteren zuletzt. Wenn die Hoffnungen starben, waren die Salatköpfe längst verwelkt. Und statt wie früher bei der Salami: „Darf’s ein bisserl mehr sein?“, hieß es nun: „Darf’s ein bisserl weniger sein?“, wenn unruhige Anleger die Ausschüttung von Gewinnen anmahnten. Die Hoffnungen waren zwar gewichtig, aber man konnte sie nicht wiegen, in kein durchgeschnittenes Kaisersemmerl legen und kein Gurkerl draufknallen. Die Versprechungen waren leicht und die Hoffnungen schwer. Es war ein ungleichgewichtiges Geschäft, und Schnittling hockte am schwereren Ende der Schaukel, der Rubel rollte daher immer in seine Richtung. Der Renmimbi. Der Dollar. Der Euro. Wie immer sie hießen. Schnittling hatte Gewicht und den Boden unter den Füßen, seine Partner, die hoffnungsvollen Anleger, schwebten auf dieser Schaukel hoch in der Luft. Und wenn Schnittling aufstand und ging, purzelten sie aus den Höhen der Hoffnungen zurück auf den leeren Boden der Tatsachen, den Schnittling zuvor sorgfältig von allen versprengten Münzen gereinigt hatte.Die noch Hoffenden hielten Schnittling für ein Genie. Diejenigen, die schon von der Schaukel gefallen waren, nannten ihn einen Betrüger, während manche Beobachter ihn bloß für einen schlauen Filou hielten, der die Stunde der Verblendung geschickt für seine Zwecke genutzt hatte.
    „Nömm halt den Hummer“, wiederholte Schnittling ungeduldig. Fifi schüttelte empört den Kopf, fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare, als ob sie diese zurechtlegen wollte.
    „Keinen Hummer, keine Kutteln, keine Polenta“, bekräftigte sie, ihr magerer Körper zuckte bei jedem Wort vor Ekel zusammen und krümmte sich schmerzverzerrt. Schmock, der sich neben Schnittling zum Tisch gepresst hatte, hielt die Speisekarte in das Licht, das von der Straße hereinfiel, und begann zu dozieren: „Das ist das kleine Einmaleins der italienischen Küche, was hier serviert wird. Wie wäre es mit risotto al limone und knusprigem Spanferkelrücken. Fifi, entscheide dich hier und jetzt! So ein Moment kommt nie wieder.“
    „Fleisch, pfui Teufel. Schwein noch dazu. Ich nehme das Filet vom Chianina-Rind“, sagte Fifi und wirkte noch immer ein wenig zusammengekrümmt.
    „Das ist Fleisch“, sagte Schmock.
    „Das ist Rindsfilet, das ist kein Fleisch“, zischelte Fifi zornig. Schmock zuckte mit den Schultern und verdrehte die Augen. Er verstand nicht, wieso Grapschmann sich für diese Megäre zum Idioten machte. Das ganze Land lachte inzwischen über das Paar. Es gab kein Pressefoto, auf dem Fifi nicht eine ihrer Hände auf seinem Hintern liegen hatte, und Grapschmann genoss es offenbar auch noch. Aus jeder seiner Poren spritzten die Hormone. Als Sohn des Direktors einer großen Gewerkschaftsbank hatte Schmock sich zwar mit denVerbindungen seines Vaters in die höchsten Kreise hinaufhangeln können, aber er verstand diese Kreise nicht wirklich. Er litt darunter, dass man ihn nur als Werkzeug sah. Er war und blieb für Leute wie Schnittling letzten Endes immer der Spekulant, lo speculatore . Man benötigte seine
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