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Der Glanz der Welt

Der Glanz der Welt

Titel: Der Glanz der Welt
Autoren: Michael Amon
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Dienste, aber man liebte ihn nicht, nannte ihn Freund, aber benutzte ihn nur. Daran änderte auch nichts, dass er eines Tages die wohlbestallte Enkelin des Ahnherrn einer amerikanischen Politikerdynastie geheiratet hatte. Selbst in den diesbezüglich sonst eher unaufgeregten Washingtoner Zirkeln rümpfte man unüberhörbar die Nasen. Im österreichischen Altadel, abgeschafft seit 1918, schüttelte man fast hundert Jahre nach dieser Abschaffung noch immer indigniert die Köpfe. Selbst der niedrigste Exadel blickte mit Verachtung auf den Aufsteiger aus dem Dunstkreis der Gewerkschaften, der immer ein wenig rot im Gesicht war und stets schwitzte. Daran erkannte man sie: Die Leute aus der Arbeiterklasse schwitzten immer, auch wenn sie arriviert waren. Es musste irgendwo in den Genen angelegt sein: besonders große Schweißdrüsen wegen über Generationen eingeübter körperlicher Arbeit. Der Adel schwitzte nie, denen waren die Schweißdrüsen mangels Arbeit scheinbar im Laufe der Evolution abhandengekommen. Von Gottes Gnaden abgeschalteter Gencode.
    Auch Schnittling schwitzte nie. Dabei war es heute im Giacomos besonders voll und heiß. Und wie schon erwähnt: Man saß zu viert, eng aneinandergepresst, in der Auslage. Fifi klebte geradezu auf Grapschmann, ihre Hand hatte sie unter eine seiner Arschbacken geschoben, die sie fest umklammerte. Nun beugte sie sich auch noch über ihn, schob ihre Zunge für alle gut sichtbar und züngelnd wie eine Schlange in seinen Mund, Grapschmann neigte seinen Kopf leicht und willignach hinten, das Grinsen blieb irgendwie im Gesicht stehen, und Fifis Zunge drang immer weiter in ihn ein. Ein gefundenes Fressen für die Presse. Ein paar Blitzlichter zuckten auf, Grapschmann zuckte zusammen. Schnittling ging hinter seinen blitzschnell erhobenen Händen in Deckung. Fifi begann, intensiv und laut hörbar an Grapschmanns Zunge zu saugen.
    „Muf daf fein?“, fragte Schnittling leise. Fifi hörte nichts, nur das eigene Schlürfen in Grapschmanns Mundhöhle. Schmock blickte unbeteiligt in die Luft. Und ihn nannten sie Parvenu, dachte er. Langsam zog Fifi sich aus Grapschmanns Mundhöhle zurück, richtete sich auf, strich ihre Haare zurecht und blickte sich gleichzeitig triumphierend um. Mit der Serviette wischte sie über ihre Lippen und trocknete dann Grapschmanns Kinn, über das ihr Speichel langsam heruntertropfte. Normalerweise saugten Finanzminister die Leute aus. Sie hielt es umgekehrt. Mit der Hand umklammerte sie noch immer die Hinterbacke ihrer Beute. Die Fotoreporter atmeten befreit auf, denn sie hatten ihre Bilder für die morgigen Abendausgaben. Schnittling saß noch immer etwas geduckt und eng an Schmock gedrückt da. Wenn Schnittling jetzt noch über Schmock hergefallen wäre, aber das war nicht zu erwarten, diesbezüglich war Schnittling unverdächtig, einer der wenigen Verdachtsmomente, die man nicht gegen ihn hegte.
    Schmock wischte sich mit der Serviette den Schweiß vom Gesicht. Er war immer die Randfigur auf den Society-Bildern. Ob er das fünfte oder das fehlende Rad am Wagen war oder sogar eher die Schraube im Getriebe, das wusste bis heute niemand so genau. Er hatte jedenfalls die richtigen Kontakte, um auch große Mengen Geldes auf unbewohnten Karibikinseln im Sandstrand versickern zu lassen. Sein Gedächtnis war ebenso kurz, wie die Festplatten seines Computersvergesslich. Er hatte diese speziellen Sonderanfertigungen, die sich mysteriöserweise immer dann in Rauch auflösten, wenn vor der Tür seiner Investmentfirma Staatsanwälte mit Durchsuchungsbefehlen auftauchten. Er hatte schon in der Schule gern Schifferlversenken gespielt, im späteren Leben hatte er sich darauf spezialisiert, Banken und Gewerkschaften zu versenken, indem er ihr Geld verspekulierte. In Schnittling hatte er einen kongenialen Geschäftspartner gefunden, gemeinsam mit Grapschmann drehten sie an immer größeren Rädern. Staatsanwälte und betrogene Sparer schauten atemlos zu.
    „Nachdem man hier wie immer nichts Ordentliches zum Essen bekommt, gehe ich. Ich verstehe nicht, was euch immer hierhertreibt“, sagte Fifi, zog ihre Hand unter dem Hintern von Grapschmann hervor, nestelte wieder an ihren Haaren herum und rutschte die paar Zentimeter auf der Sitzbank entlang zum Tischende, um aufstehen zu können.
    „Geht wer mit mir mit?“, fragte sie. Die drei Männer starrten sie verständnislos an.
    „Ich mag keine Polenta“, äffte Grapschmann sie in Wort und Tonfall nach.
    „Idiott!“,
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