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Der Glanz der Welt

Der Glanz der Welt

Titel: Der Glanz der Welt
Autoren: Michael Amon
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niemanden sah. Plötzlich ertönten heftige Laufgeräusche, Fußgetrappel, und mindestens ein Dutzend vermummte Gestalten, Pistolen und Maschinenpistolen im Anschlag, stürmten ins Lokal.
    „Niemand bewegt sich. Bleiben Sie auf Ihren Plätzen. Es geschieht Ihnen nichts. Wir sind die Polizei. Bleiben Sie auf Ihren Plätzen und legen Sie die Hände auf die Tischflächen.“
    Ein ordengeschmückter, offenbar hoher Polizeioffizier schritt durch das Spalier der Bewaffneten, neben ihm einmerkwürdig gekleideter Zivilist: alte, speckige Hirschlederhose, Hosenträger, ebenfalls aus Leder, Bergschuhe, offenbar Goiserer, weiße Strickjacke mit Hirschhornknöpfen, weiße Stricksocken über den Waden bis zum Beginn der Hirschledernen unterm Knie. Der Mann musste sich verirrt haben.
    „Nein, bitte, nicht schon wieder“, stöhnte Schnittling. Zwei Mal war er heuer schon wegen angeblichen Anlegerbetrugs verbunden mit Fluchtgefahr verhaftet worden. Seitdem stand er im Buch der Rekorde wegen der höchsten Kaution, die jemals gezahlt worden war. Beim ersten Mal war er mit 80 Millionen davongekommen, das zweite Mal hat es dann schon 100 Millionen gekostet.
    Der Polizeioffizier trat zum Tisch von Schnittling: „Es ist mir unangenehm“, hob er an. Natürlich war es ihm unangenehm. Schnittling sponserte seit Jahren den Polizeisportverein und den Fonds für Witwen und Waisen von im Dienst umgekommenen Polizisten.
    „Sie wissen eh schon, wie das funktioniert“, sagte er.
    „Was kostet es diesmal“, wollte Schnittling wissen, „120 Millionen?“
    „Das müssen Sie sich mit dem Haftrichter ausmachen“, sagte der Offizier.
    Noch immer stand rundherum die ganze Meute von der schnellen Eingreiftruppe mit ihren Waffen im Anschlag.
    „Ich bin nur einer“, sagte Schnittling. „Können die nicht ihre Waffen herunternehmen? Meine einzige Waffe sind Schecks.“
    „Keinen Bestechungsversuch, bitte!“, sagte der Zivilist, der nun ebenfalls an den Tisch von Schnittling herangetreten war. Er knallte ein paar Handschellen auf den Tisch.
    „Die werden wir nicht brauchen“, sagte der Offizier, „lassen Sie das, Pirchmoser.“
    Der Angesprochene schüttelte den Kopf: „Ich werde das schon brauchen. Ich führe doch jemanden, der demnächst 120 Millionen Euro Kaution auf den Tisch legen wird müssen, nicht ohne Handschellen ab. Der hat Anspruch auf vollständigen Service. Und wir wollen auch nicht, dass er uns gestohlen wird.“
    „Er göbt nöcht auf! Der Pörchmofer göbt nicht auf. Wie oft denn noch? Ön zwei Tagen bön öch wieder frei.“
    „Aber dazwischen machen wir so nebenbei einen neuen Rekord fürs Guinness, nichtwahrnicht!? Und ich werde meinen Enkerln erzählen können, dass ich dabei war.“
    „Das ist mir so was von unangenehm“, stammelte der Ordengeschmückte, „so was von unangenehm.“
    Schnittling nickte ihm huldvoll zu: „Öch weif, ef ift der Pörchmofer. Grofe Klappe, kleine Beweife.“
    „Keine Beweise“, fügte Grapschmann schnell hinzu.
    „Sie nehme ich auch gleich mit“, sagte Pirchmoser.
    „Unterstehen Sie sich, haben Sie einen Haftbefehl?“, fragte Grapschmann leise, und so konnte man nicht genau hören, ob seine Stimme ängstlich oder fest war.
    „Für Sie brauche ich keinen Haftbefehl. Für Sie genügt mir Ihr Gesicht und die Schlagzeilen in der Gesellschaftskolumne.“
    Pirchmoser grinste. Grapschmann grinste ebenfalls, aber es wirkte leicht verzerrt.
    Der Offizier mischte sich ein: „Können wir weitermachen, ich habe heute noch etwas vor.“
    „Gehen Sie ruhig, den Rest schaffe ich allein“, sagte Pirchmoser, legte Schnittling Handschellen an, half ihm hinterdem Tisch hervor, packte ihn beim Arm und ging mit ihm Richtung Ausgang.
    Grapschmann und Schmock saßen wie erstarrt auf ihren Sitzbänken. Der Offizier verließ grußlos und ohne sich nochmals umzusehen das Lokal.
    Die Vermummten hatten noch immer ihre Waffen im Anschlag, Pirchmoser ging wieder durch das Spalier, nun aber in die andere Richtung, also zum Ausgang. Als er mit Schnittling mitten in der Tür stand, eine Stufe über dem Trottoir, blieb er kurz stehen. Draußen standen dutzende Fotografen. Die Blitzlichter zuckten auf. Schnittling versuchte, sein Gesicht hinter den Händen zu verbergen, aber Pirchmoser drückte ihm die Unterarme hinunter. Die Pressemeute bekam ihre Bilder: Schnittling mit weit aufgerissenen Glupschaugen, gar nicht mehr kühl und beherrscht, sondern offenbar voller Angst.
    „Gemma“, sagte Pirchmoser, in
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