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Alterra. Im Reich der Königin

Alterra. Im Reich der Königin

Titel: Alterra. Im Reich der Königin
Autoren: Maxime Chattam
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    Prolog
    D er große Saal lag halb unter der Erde. Durch die engen Schlitze in den steinernen Mauern drang kaum Tageslicht ins Innere. Laternen verbreiteten einen flackernden, warmen Schein und den leicht ranzigen Geruch von brennendem Tierfett.
    Auf jedem Tisch thronte eine dicke Kerze, umgeben von einem Wulst aus geschmolzenem Wachs, der sie aussehen ließ wie einen kleinen Vulkan inmitten versteinerter Lava.
    Im hinteren Teil des Saals drängten sich Horden von Glücksspielern um kleine Büchsen aus verrostetem Blech und verfolgten brüllend und johlend die Kämpfe der schwarzen Skorpione, die sie darin aufeinandergehetzt hatten.
    Ein wenig abseits unterhielten sich drei Gestalten in dunkelgrünen Mänteln bei einem Krug Bier.
    »Simon hat erst neulich wieder eine gekauft!«, sagte einer der drei, ein Kerl mit braunem Bart.
    »Ach ja? Wie viel hat er für sie bezahlt?«, fragte sein Gegenüber.
    Auf seiner Wange prangte eine riesige Zyste, als trüge er einen Brotkanten im Mund herum.
    »Keine Ahnung. Er hat sicher einige Münzen springen lassen, und ein paar Gefälligkeiten wird er wohl auch zugesagt haben. Aber wie man hört, ist sie es wert!«
    Der Dritte im Bunde neigte sich verschwörerisch vor, bis die Kerzenflamme sein Gesicht von unten erhellte. Mehrere frische Narben entstellten seine Züge.
    »Wie alt ist sie?«
    »Jünger als zehn. Simon hat sie sich geschnappt, gleich nachdem sie beim Test durchgefallen ist.«
    »Wie verträgt sie den Nabelring?«
    »Anscheinend ganz gut.«
    »Spricht sie?«, fragte der Mann mit der Zyste.
    Der Braunbart packte den hölzernen Griff seines Tonkrugs und leerte ihn in einem Zug.
    »Woher soll ich das wissen?«, rülpste er.
    Der Mann mit den Narben ergriff wieder das Wort:
    »Angeblich bringen die Bärserker immer mehr Kinder aus dem Norden. Wenn das so weitergeht, ist die Große Jagd bald abgeschlossen.«
    »Ich habe aber auch gehört, dass die Kinder sich mancherorts zusammengetan haben und unseren Patrouillen Widerstand leisten«, meinte der Bärtige.
    »Sie organisieren sich?«, fragte der Mann mit der Zyste erstaunt.
    »Ach was, auch zu mehreren sind diese Würmchen völlig hilflos. Schau, wir haben keine zwei Monate gebraucht, um uns zu sammeln!«
    »Weil die Königin sich sofort gezeigt hat«, erinnerte sie der Mann mit der Zyste. »Sie hat die Flammen der Vereinigung auflodern lassen, damit wir den Rauchfahnen folgen konnten.«
    »Und schon nach drei Monaten hatten wir ein Tausch- und Geldsystem eingeführt! Unsere Häuser sind aus Holz und Stein! Wir sind zivilisiert! Im Gegensatz zu diesen kleinen Wilden!«
    »Aber kein Schwein erinnert sich daran, was vor der Katastrophe war«, schimpfte der Mann mit der Zyste. »Eine Armee aus Erwachsenen, die an Gedächtnisverlust leiden, was soll daran zivilisiert sein? Und wenn die Kinder es wissen? Was ist, wenn sie sich erinnern, wer wir sind und woher wir kommen?«
    Seine beide Trinkbrüder kamen nicht mehr zu einer Antwort: Eine vermummte Gestalt, die am Nebentisch saß, beugte sich zu ihnen herüber.
    Sie trug einen scharlachroten Umhang aus dickem Samt und hatte die weite Kapuze tief ins Gesicht gezogen.
    »Ja, die Zukunft liegt in diesen Kindern«, sagte eine heisere, selbstsichere Stimme. »Aber es geht nicht darum, was sie wissen, sondern um das, was sie sind.«
    »Wer …«
    Zwei feingliedrige, mit knotigen Adern überzogene Hände tauchten unter dem Umhang auf und schlugen die Kapuze zurück. Ein etwa fünfzigjähriger Mann mit hohlen Wangen, dünnen Lippen und einer Hakennase kam zum Vorschein. Seine buschigen weißen Augenbrauen ließen seinen Blick noch stechender wirken, und sein Schädel war bis in den Nacken von einer perfekt angepassten Stahlhaube bedeckt.
    »Die Kinder sind schuld an dem, was wir erleiden«, fuhr er fort. »Sie zeugen von den Fehlern, die wir in unserem früheren Leben begangen haben, sie sind der Ursprung allen Unheils! Und deshalb verdienen sie nichts als unseren Zorn!«
    »Was weißt du denn schon von diesen Dingen, alter Mann?«, unterbrach ihn der Mann mit den Narben.
    Der Prediger öffnete seinen Umhang gerade so weit, dass ein rot-schwarzes Abzeichen mit einem Apfel in der Mitte auf seinem Lederharnisch sichtbar wurde. Das Wappen der Königin.
    Die drei Freunde zuckten zusammen und senkten den Blick.
    »Verzeihung«, sagte der Mann mit der Zyste. »Wir wussten nicht, dass wir einen Soldaten der Königin vor uns haben.«
    »Einen spirituellen Berater Ihrer Majestät, wie man
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