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Der Glanz der Welt

Der Glanz der Welt

Titel: Der Glanz der Welt
Autoren: Michael Amon
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Wien die kurze, aber klare Aufforderung „Gehen wir!“ „Sie haben Ihre Bilder im Kasten, lassen Sie uns bitte durch“, sagte er, umfasste mit seiner linken Hand den rechten Unterarm Schnittlings und zog diesen so mit sich. Der fiel beinahe von der Stufe auf den Gehsteig, konnte sich aber mit Pirchmosers Unterstützung gerade noch fangen.
    Von links kam Himmel aufs Giacomos zu. Er klopfte einem der Fotografen auf die Schulter: „Hast ihn ordentlich raufbekommen?“ Der Fotograf nickte.
    „Dann mach Feierabend, ich kümmere mich hier um den Rest.“
    Pirchmoser ging mit Schnittling und umringt von den vermummten Polizisten zu zwei Bussen, die an der nächsten Ecke genau so geparkt waren, dass man sie aus derAuslage des Giacomos’ nicht sehen hatte können. Er schubste Schnittling in den einen Bus hinein, die Vermummten verschwanden innerhalb weniger Sekunden ebenfalls in den Bussen. Die Blaulichter flackerten wieder auf, und die beiden Busse brausten aus der Fußgängerzone hinaus in das Dunkel der innerstädtischen Gassen. Pirchmoser blickte ihnen kurz nach, drehte sich um und ging zurück zum Giacomos.

4. KAPITEL | Ein Kommentar erscheint doch
    Schnäpse, Rum und Murmeltiere
    So ähnlich musste der Urknall gewesen sein.
    Tief in Gedanken versunken wollte ich ins Giacomos eintreten, als ich jäh in meinem Gang gebremst, links und rechts gerempelt wurde und vorn wie gegen eine Wand lief. Ich zuckte aus meinen Gedanken auf und merkte, dass ich eingeklemmt war: links Himmel, rechts Pirchmoser, mitten im Türstock waren wir aufeinandergeprallt und zu dritt auf Goutzimsky aufgelaufen, den wir alle nur Kommerzialrat nannten.
    Eine merkwürdige Fügung des Schicksals, dass wir vier ausgerechnet hier, mitten im Eingang des Giacomos’ im wahrsten Sinn des Wortes aufeinandergestoßen waren; jeder von uns in seine eigenen Gedanken verstrickt, wodurch wir wiederum nicht gemerkt hatten, wie wir alle vier gleichzeitig auf denselben kleinen Punkt im großen Universum zusteuerten. Die Welt ist klein. Das unendlich größere Universum war noch viel kleiner, wenn man auf der Schwelle zum Giacomos ineinanderknallte.
    Wir sahen einander an und brachen in Lachen aus. Ein paar „Grüß dich, commentatore “ und „Servus, sensazione “ und „Hallo, commissario “ und „Kommerzialrat, meine Verehrung“ ertönten in einem melodischen Durcheinander, wir rückten voneinander ab und klopften uns dabei voll dezenter Freude wechselseitig auf die Schultern. So betraten wir das Giacomos doch noch in lockerer Anordnung, und als ob wir uns verabredet hätten, steuerten wir auf denselben Tisch imHintergrund des Lokals zu, obwohl sowohl in der zweiten Reihe als auch ganz vorn in der Auslage noch Tische frei gewesen wären, denn es war noch früh an diesem Abend. Aber die Auslage, vielleicht habe ich es schon einmal erwähnt, war nicht unsere Welt. Wir liebten den Hintergrund. Wir waren Hintergrund. Zumindest ein wenig.
    Wir nahmen Platz. Die Tische im hinteren Teil des Lokals hatten nicht nur den Vorteil, nicht wie ein Präsentiertablett zu wirken, sondern auch den, über ausreichend Platz zu verfügen. Hier standen gemütliche Sessel um den Tisch herum, man konnte bequem auf ihnen Platz nehmen und den richtigen Abstand zum Tischnachbarn sowie zur Tischplatte wählen. Die auf den Fußenden der Stühle angeklebten Filzplättchen ließen einen sanft und geräuschlos über den Boden rutschen. Vor allem für etwas besser bebauchte Menschen ist es angenehm, den Abstand zum Tisch selbst bestimmen zu können. Nichts ist unangenehmer, als wenn einem beim Essen oder auch nur beim entspannten Umtrunk dauernd die Tischkante auf den Magen drückt, beim Aufstehen geradezu in den Bauch einschneidet. Es macht unschöne Striemen (manchmal hat man nach dem Abendessen schließlich noch etwas vor, und, ja, auch Männer sind eitel), mitunter sind sogar kleine Wunden die Folge, wenn die Tischkante eine unvorsichtige Bewegung damit quittiert, dass sie einem die Haut aufschürft.
    Wir ließen uns also nieder, streckten wie auf Kommando die Beine von uns und ließen uns in die Rückenlehnen fallen, während unsere Unterarme auf den einladend ausladenden Armstützen Platz nahmen. Nichts drückte, nichts beengte.
    „Passt“, sagte Pirchmoser zufrieden, und alle nickten.
    „Schilder!“, sagte Himmel und meinte, Pirchmoser sollte jetzt schildern, was vorgefallen war.
    „Was gibt es denn?“, fragte ich.
    „Weißt du nicht, dass Freund Pirchmoser“, Himmel
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