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Der Gesang von Liebe und Hass

Titel: Der Gesang von Liebe und Hass
Autoren: Cordes Alexandra + Horbach Michael
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Zunge herausgeschnitten haben. Und da er auch nicht schreiben kann, wird er nicht einmal mir verraten können, wohin er deine Tochter gebracht hat. Zufrieden?«
    »Ich bin dir Dank schuldig.«
    »Daran werde ich mich erinnern, wenn ich wieder einmal knapp bei Kasse bin. Vorläufig, mein Lieber, schwimme ich in Geld. Sieh mich an, Champagner zum Frühstück, eine Languste zum Mittag und Austern – auf die ich niemals verzichten kann – zum Abend. – Um acht Uhr wird der Wagen an der Brücke bei den alten Ölmühlen warten. Ist dir das genehm?«
    Sebastián verneigte sich stumm.
    Rodrigos Lachen folgte ihm, hell und hoch, beinahe wie das einer Frau, als er das Haus verließ – einer Frau, die von ihrem Liebhaber verschmäht wurde.
    Um acht Uhr morgens brachte Sebastián seine Tochter Maria Christina zu dem wartenden Wagen. Es war eine schwarze Daimler-Benz-Limousine mit hellgelben Lederpolstern und Mahagonipaneelen im Inneren.
    Der Chauffeur war ein kleiner Mann mit traurigen, halb von den Lidern beschatteten Augen, die denen eines gerade erwachten Reptils glichen. Er konnte einem Angst einjagen, wenn man nicht um sein Schicksal wußte.
    Maria Christina trug ein schwarzes Kleid und eine schwarze Mantilla, mit der sie auf der Straße ihr Gesicht verbarg.
    »Der Fahrer ist stumm«, sagte ihr Vater, »er wird niemandem verraten können, wohin er dich bringt. Aber gib ihm ein weißes Stück Papier mit, wenn du gut angekommen bist.« Er küßte ihre Stirn, und plötzlich waren Trauer und Angst in seiner Stimme: »Du wirst doch auf dich aufpassen? Du wirst doch daran denken, was ich dir gesagt habe? Du bestimmst dein Leben in Zukunft. Und du sollst glücklich sein.«
    »Ja, Vater.« Sie umarmte ihn.
    »Vaya con dios«, sagte Sebastián, dann wandte er sich um, noch ehe sie in den Wagen eingestiegen war.
    Sebastián blieb lange in der Kathedrale. Er kniete vor einem Seitenaltar der heiligen Muttergottes. Er legte mit aller Inbrunst das Geschick seiner Tochter in ihre Hände.
    Zu Hause erwartete Maria Teresa ihn auf der ersten Galerie des Hauses. Sie stand hoch aufgerichtet dort. Allein.
    Sie schwieg, während er zu ihr hinaufstieg.
    Dann wandte sie sich um, ging ihm voran in sein Arbeitszimmer. Sie schloß die Tür hinter sich, lehnte sich dagegen.
    Sie trug ein schwarzes Kleid mit langen Ärmeln, und nichts hellte dieses Schwarz auf, kein Spitzenkragen, keine blaßgelben Manschetten, die sie sonst liebte, kein Schmuck.
    »Du hast es also geschehen lassen.«
    »Ich habe getan, was notwendig war.«
    »Du hast deiner Tochter die Gnade Gottes entzogen. Und uns auch. Unser Sohn Frederico ist in dieser Nacht gefallen. Ein Bote hat die Nachricht gebracht. Sie liegt vor dir, auf deinem Schreibtisch. Lies sie.«
    Es war ein zerknittertes Stück Papier. Darauf stand in ungelenken Buchstaben: ›Frederico de Valquez y Ortega – ein Schwein weniger! Es lebe Spanien!‹
    Sebastián stützte die Knöchel seiner Hände auf den Schreibtisch. Er wollte sich nicht setzen, obwohl seine Beine zitterten. Nicht im Angesicht seiner Frau, die so aufrecht und unbeugsam vor ihm stand.
    »Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun«, sagte er leise. »Frederico ist gegangen, obwohl ihn niemand dazu gezwungen hat. Aber du hast damals Maria Christina gezwungen, ins Kloster zu gehen, und ich habe es geschehen lassen. Nun, da ich ihr den Willen zu einem freien Leben lasse, büße ich.«
    »Ich werde nie mehr mit dir sprechen«, sagte Maria Teresa, »und du wirst nie mehr mein Zimmer betreten. Du wirst wie ein Schatten in deinem eigenen Hause sein, dem alle ausweichen werden.«
    »Wir haben noch zwei Töchter«, sagte er.
    »Sie werden dich verachten, wie ich dich verachte. Von nun an bis in alle Ewigkeit.«
    Die Fahrt nach Santiago de Compostela hätte nicht angenehmer sein können. Es war ein klarer, warmer, von den ersten Herbstfarben golden gemalter Tag.
    Sie kamen schnell voran, obwohl sie hier und da Militärfahrzeugen oder auch kleineren Einheiten von Soldaten ausweichen mußten.
    Mittags rasteten sie an einem Feldweg unter einem breitausladenden Feigenbaum.
    Der stumme Carlito breitete ein Leinentuch auf dem kurzen Herbstgras aus, es gab Brot, einen milden Ziegenkäse, Weintrauben und heißen, gesüßten Milchkaffee aus einer Thermoskanne.
    Während er Maria Christina mit Handbewegungen einlud zuzulangen und sie ihm dankte, huschte ein scheues Lächeln über sein mageres, faltiges Gesicht.
    Er aß nur sehr wenig, und als sie ihn
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