Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Gesang von Liebe und Hass

Titel: Der Gesang von Liebe und Hass
Autoren: Cordes Alexandra + Horbach Michael
Vom Netzwerk:
kommt er nicht?« flüsterte sie Miriam zu.
    »Er wird kommen«, sagte Miriam, und es klang so überzeugt, daß Maria Christina sie umhalste und gar nicht mehr weinen konnte.
    »Komm, zieh deinen Mantel an, wir gehen auf den Weihnachtsmarkt«, sagte Miriam.
    Maria Christina tat folgsam, was ihre Tante sagte.
    Langsam gingen sie unter den Arkaden entlang zum Marktplatz, wo der Weihnachtsmarkt mit seinen Lichtern lockte, mit seinen Gerüchen nach Nüssen und Lebkuchen und Schokolade, und wo die Kinder staunend oh und ah riefen und Mama, bitte, kauf mir ein Stückchen türkischen Honig, und wo die Mama sagte, das Christkind wird es dir bringen.
    Sie gingen zwischen den Buden durch und gelangten zu einem Stand, an dem Bauern vom Land Gemüse verkauften. Hinter einem hohen Berg von Kartoffeln stand ein junger Mann mit wilden Augen, alle Vorübergehenden scharf musternd. Sein Blick fiel auf Maria Christina, der Schal um ihren Hals hatte sich gelöst, und der junge Mann sah ihre Narbe. Er erstarrte, dann schrie er: »Brenski, Brenski!« und ein Gesicht zeigte sich zwischen der Zeltplane des Lastwagens hinter dem Kartoffelstand und drehte sich wie witternd in die Abendluft.
    »Miriam«, flüsterte Maria Christina, »Miriam, hilf mir bitte …« Sie spürte die Ohnmacht, in einer großen Woge, aber sie kämpfte dagegen an, sie rief: »Brenski!«, und sie lief um den Stand mit den Kartoffeln zu dem Lastwagen, und der Mann von dort oben ließ sich vorsichtig herab.
    »Brenski!«
    Er zuckte zusammen, sah sich suchend um, schaute über sie hinweg.
    Sprachlos wich sie zurück.
    Eine alte Frau trat neben sie, legte ihre Hand auf Maria Christinas Arm.
    »Sí, Maria Christina, das ist dein Brenski. Er hat dich gesucht und gefunden, auch wenn er dich nicht mehr sehen kann.«
    Sie fiel in die Knie, und so rutschte sie auf ihn zu, sie umfaßte seine Beine und spürte seine Hand auf ihrem Haar.
    »Ich bin da, Maria Christina«, sagte er.
    »Si, du bist da.« Und sie weinte, und sie hielt ihn fest, und sie spürte, daß die Wehen einsetzten, und sie rief: »Brenski, ich bekomme dein Kind, unser Kind!«
    Und er sagte: »Komm, Maria Christina, laß uns den guten Leuten folgen, die mir und dir geholfen haben.«
    Zehn Minuten vor Mitternacht wurde das Kind im Schlafzimmer Maria Christinas geboren. Es war ein Junge. Sie ließen ihn noch in der Nacht taufen, auf den Namen Pablo Sebastián Avram. Und als Brenski ihn in den Armen hielt, leuchteten seine Augen auf, so, als könnte er seinen Sohn wirklich sehen.
     
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher