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Der Fürst der Skorpione

Der Fürst der Skorpione

Titel: Der Fürst der Skorpione
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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schloss sich das Buch wieder und drehte sich vor seinem inneren Auge wie ein langsamer Kreisel. Björn wusste mittlerweile, dass er nichts damit erreichen würde, die gleiche Frage noch einmal zu stellen. Er war todunglücklich.
    Zuerst gingen sie zur Parade. Sie hatten sogar einen guten Platz direkt an der Paradestrecke im Stadtzentrum bekommen, Björn war ganz aufgeregt darüber. Tabea hatte das alles ja schon so oft auf ihrer inneren Mattscheibe gesehen, alle zwei Wochen gab’s eine große Militärparade in der Introvision, auf allen Kanälen. Introvision fand sie überhaupt oft langweilig und blöde. Sie schloss ungern die Augen, nur um sich die Nachrichten anzuschauen, und man konnte sowieso bei der Introvision nicht reagieren und selber was machen.
    Noch bevor die Parade angefangen hatte, taten ihr die Beine weh. Es war nicht wie in den Träumen, in denen es schnell mal spannend wurde. Zuerst kamen die historischen Typen mit ihren Panzern, Raketen und all dem anderen Zeug, das aktuell gar nicht mehr benutzt wurde. Ein paar Hundert Soldaten marschierten vorbei, angezogen für einen Krieg wie vor dreißig oder vor vierzig Jahren. Danach folgten die modernen Einheiten. Björn fing an zu erklären. Aber er brauchte sehr lange, es war sehr laut, Tabea verstand ohnehin nichts. Sie ließ ihn einfach reden. Die modernen Soldaten trugen schwarze Uniformen und hielten beim Marschieren großen Abstand von einander. Björn nannte sie »Pioniere«. Einer von ihnen war angeblich so viel wert wie früher hundert Mann. Mit ohrenbetäubendem Gebell schlossen sich die Kampfhunde an. Sie waren ganz aus Neumetall und doppelt so groß wie ein Mensch. Die Jungen in Tabeas Klasse waren alle Fans von diesen Dingern, es gab sogar Comicserien mit Kampfhundhelden. Aber Tabea konnte mit ihnen nichts anfangen. Sie mochte die Kugelblitze lieber, fliegende Kampfstationen mit ein oder zwei Mann Besatzung, hell leuchtend vor Energie, schneller als jedes Flugzeug. Sie schwebten über den Köpfen der Menge und tauchten die Szenerie in gleißendes Licht. Und dann kamen die Käfer. Die hatte Tabea sich allerdings von den Intros her anders vorgestellt. Sie wirkten in echt viel größer und gleichzeitig viel leichter. Eigentlich wusste sie gar nicht, warum man sie Käfer nannte, so, wie sie aussahen. Vielleicht wegen der sechs Beine. Die Körper dieser Wesen waren einfach nicht so plump wie die von Käfern; geräumig, das ja, aber doch irgendwie schlank genug, damit man Angst vor ihnen bekam. Man hatte sie so gezüchtet. Am schlimmsten fand sie die Rüssel und die Augen. Die Käfer bewegten ihre Fühler hin und her, als würden sie etwas suchen. Man konnte die Augen ganz genau sehen, auch bei den großen Arten, die zehn Meter hoch waren. »Sie sehen… Nacht…«, schrie Björn, den Rest konnte Tabea nicht verstehen, weil die Menge so jubelte. In den Träumen und in den Intros wurden die Käfer oft »die Kriegselefanten der EuroForce« genannt. Nur die EF hatte sie.
    Plötzlich scheute einer der Käfer. Er stoppte abrupt, mitten auf der Straße. Der Zug vor ihm lief weiter, eine Lücke tat sich auf, hinten staute sich alles. Der Käfer tat nichts, bewegte sich nicht vor und nicht zurück, ließ nur seinen Kopf hin- und herpendeln. Es war einer von den großen. Plötzlich erschienen unter seinem Bauch – das war schwer zu beschreiben – Rohre oder Fortsätze. Die Menge tobte, weil sie dies für einen Teil der Show hielt. Aber als Tabea Björn ansah, war er noch weißer als sonst, weiß wie ein frisch gewaschenes Laken. Er starrte hoch zu dem Käfer und murmelte, als würde er beten. Tabea dachte: »Das war’s, jetzt werden wir geröstet.« Nach ein paar Sekunden aber klappte alles zu, die Fortsätze wurden wieder versteckt, der Käfer setzte zögernd ein Bein vor und lief dann wie zuvor weiter. Björn war noch eine halbe Stunde später völlig fertig. »Sie haben es geschafft«, sagte er immer wieder. »Sie haben ihn neu gestartet. Fehlfunktion. Er hätte uns alle… Er hätte uns in Asche verwandeln können.«
    Tabea fand diesen kleinen Nervenkitzel absolut okay, ansonsten wäre die Parade ja langweilig gewesen.
    Inzwischen regnete es. Sie waren schon auf dem Weg zum Gottesdienst. Björn faselte die ganze Zeit herum, auf diese langsame, mühevolle Art, die Tabea so krank machte. »Das ist sehr ungewöhnlich. Ich weiß nicht… Ich habe auch im Grünen Buch nichts dazu finden können. Es tut mir leid, aber die Nachricht war eindeutig.«
    Björn
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