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Der Fürst der Skorpione

Der Fürst der Skorpione

Titel: Der Fürst der Skorpione
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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Dann waren da die Abstoßungsreaktionen, die immer drohten, wenn Käfer von Soldaten besiedelt wurden; der Käferorganismus wollte dann die Menschen in seinem Inneren nicht haben, behandelte sie als Fremdkörper und verdaute sie, oder er tötete sie durch Entzündungen und allergische Reaktionen. Wie man früh festgestellt hatte, traten Abstoßungsreaktionen besonders häufig auf, wenn der Soldat ein Wiedererweckter war. Ein Käfer, der auf die Besiedlung so negativ reagierte, war unbrauchbar und musste selbst getötet werden. Das wollte man nicht riskieren. Außerdem waren Wiedererweckte viel zu langsam, beim Sprechen und in ihren Bewegungen. So langsam, dass sie von normalen Menschen »Zombies« genannt wurden. Die Käfer brauchten die Menschen in ihrem Leib zur Leistungssteigerung, nicht zur Verlangsamung. Mit Zombie-Kanonieren konnte eine Käfereinheit nichts anfangen. Deswegen hatte Björn jetzt eine andere Aufgabe. Er würde sich um eine der vielen Kriegswaisen kümmern, ein Mädchen, das in einer besonders schwierigen Phase seiner Entwicklung war, in der Pubertät nämlich. Was Björn dazu wissen musste, wurde ihm in einem einwöchigen Trainingskurs beigebracht, der fast beendet war. Den Kurs empfand Björn als anstrengend. Die Trainer waren nicht sehr freundlich, aber das kannte er aus seiner Militärzeit. Schlimmer war, dass er mit seinem wiedererweckten, verlangsamten Körper eigentlich alles so schnell machen sollte wie ein normaler Mensch. Obwohl er sich große Mühe gab, ließ er manchmal Dinge fallen. Er sprach so schleppend, dass die Ausbilder oft ungeduldig wurden, und das war besonders bitter, weil Björn die Sätze in seinem Kopf meist längst fertig hatte, aber die Sprechmuskulatur kam einfach nicht mit. Das überfordert selbst die Geduldigsten, dachte Björn. Langsam erwachte er aus seinen Grübeleien. Die Mittagspause war vorbei. Er bemerkte, wie feucht seine Hände waren. Wäre er ein normaler Mensch gewesen, hätte sein Herz wild gepocht, aber es war ja wie der Rest seines Körpers verlangsamt. Björn versuchte sich mit den Drei Gewissheiten aus dem Grünen Buch zu beruhigen: »Jedes Problem hat eine Lösung«, »Wer an das Heilige Kind denkt, an den denkt auch das Heilige Kind«, »Geschwindigkeit ist nicht alles«.
    Aber es wirkte nicht. Er hatte Angst vor dem Rest des Arbeitstages, denn seine Trainingsgruppe würde heute noch das Einkaufen üben.
    »Scheiße!«, fluchte Tabea. Sie war in einer furchtbaren Stimmung. Die geblümte Tapete ihres Zimmers machte sie rasend. Das Hologramm ihres Beraters stand ruhig und gelassen da, wie immer, wenn sie ihn aufrief.
    »Mir geht’s gut! Ich komme allein klar! Ich brauche keinen Zombie! Ist es wegen dem WG-Stress mit Günter und Norma? Oder war’s der letzte Gesundheitstest?« Natürlich war es bescheuert gewesen, in der Gesundheitsprüfung aus Langeweile einfach alles anzukreuzen. Vielleicht hatten auch Günter und Norma, ihre Mitbewohner, sie bei ihren Beratern verpetzt, sie als streitsüchtig angeschwärzt, obwohl sie selbst die ganze Zeit Stress gemacht hatten. Deswegen brauchte sie doch noch lange keinen Zombie. Wer einen Zombie abkriegte, der konnte sich vergessen, der war unten durch. Günter und Norma taten jetzt zuckersüß, aber hinter Tabeas Rücken zogen sie Gesichter und machten Witze. Die wollten sie ja schon länger loswerden und jetzt hatten sie ihre Chance gewittert. »Was du natürlich vergisst, Tabea«, sagte der Berater mit ernstem Gesicht, »ist der Diebstahlverdacht, der gegen dich vorliegt.«
    »Aber ich hab nichts geklaut!«, rief sie. »Die haben nichts bei mir gefunden!«
    »Das ist nicht logisch, Tabea. Die Kaufhausdetektive haben kein Diebesgut bei dir entdeckt, aber das beweist nicht, dass du unschuldig bist. Einer von ihnen schwört, er habe dich was einstecken sehen. Ich habe die Akte hier.«
    Tabea stiegen die Tränen in die Augen. »Glaub doch, was du willst. Ich hab nichts geklaut. Und ich brauch keinen verdammten Zombie!«
    »Da bin ich anderer Meinung. Du bist jetzt seit acht Jahren Vollwaise. Es klingt vielleicht hart, aber ich halte dich im Moment für labil. Es ist zu deinem eigenen Besten.« Dann löste sich ihr Berater in Luft auf. Tabea ließ ihren Tränen freien Lauf.
    Was sie jetzt schon rasend machte, war die Langsamkeit. Wie diese Zombies sich bewegten, wie sie sprachen. Es wurde behauptet, dass sie viel schneller denken konnten, aber dass ihr Körper einfach nicht mitkam. Das wollte sie sich überhaupt
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