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Denkanstöße 2013

Denkanstöße 2013

Titel: Denkanstöße 2013
Autoren: Isabella Nelte
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Hans Küng
Ist die Kirche noch zu retten?
    Es ist nicht angenehm, der Kirche, die meine geblieben ist, eine solch kritische Veröffentlichung widmen zu müssen. Ich meine die katholische Kirche , die größte, mächtigste, internationalste, in etwa auch älteste Kirche, deren Geschichte und Geschick aber auch alle anderen Kirchen beeinflusst.
    Lieber hätte ich freilich meine Zeit anderen dringenden Fragen und Projekten gewidmet, die auf meiner Agenda stehen. Aber der Restaurationskurs der letzten drei Jahrzehnte unter den Päpsten Karol Wojtyla und Joseph Ratzinger mit seinen fatalen und für die gesamte christliche Ökumene zunehmend dramatischen Auswirkungen drängt mir erneut die mir keineswegs angenehme Rolle des Papstkritikers und Kirchenreformers auf, eine Rolle, die oft die mir wichtigeren Aspekte meines theologischen Œuvres verdeckt.
Die große Kirchenkrise
    In der gegenwärtigen Situation kann ich es nicht verantworten zu schweigen: Seit Jahrzehnten habe ich auf die große Krise der katholischen Kirche, faktisch eine Kirchenleitungskrise, die sich da entwickelte, aufmerksam gemacht – mit wechselndem und in der katholischen Hierarchie mäßigem Erfolg. Erst mit der Enthüllung der zahllosen Missbrauchsfälle im katholischen Klerus, die über Jahrzehnte hin von Rom und den Bischöfen weltweit vertuscht worden waren, ist diese Krise als Systemkrise für die ganze Welt sichtbar geworden und erfordert eine fundierte theologische Antwort. Alle noch so groß inszenierten Papstmanifestationen und Papstreisen (je nachdem als »Pilgerreise« oder »Staatsbesuch« inszeniert), alle die Rundschreiben und Kommunikationsoffensiven können über die anhaltende Krise nicht hinwegtäuschen. Diese äußert sich in Hunderttausenden von Kirchenaustritten allein in der Bundesrepublik Deutschland während der letzten drei Jahre und in einer zunehmenden Ferne der Bevölkerung zur kirchlichen Institution überhaupt.
    Nochmals: Ich hätte diesen Text lieber nicht geschrieben. Nicht geschrieben hätte ich ihn:
    1. wenn sich die Hoffnung erfüllt hätte, Papst Benedikt würde unserer Kirche und der gesamten Christenheit im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils einen Weg nach vorne weisen. Diese Hoffnung war in mir gekeimt in der vierstündigen freundschaftlichen persönlichen Unterredung mit meinem früheren Tübinger Kollegen in Castel Gandolfo 2005. Aber: Benedikt ging den zusammen mit seinem Vorgänger eingeschlagenen Weg der Restauration stur weiter, distanzierte sich in wichtigen Punkten vom Konzil und von großen Teilen des Kirchenvolkes und versagte angesichts des weltweiten Sexualmissbrauchs von Klerikern;
    2.  wenn die Bischöfe die ihnen vom Konzil zugesprochene kollegiale Verantwortung für die Gesamtkirche wirklich wahrgenommen und sich in Wort und Tat dazu geäußert hätten. Aber: unter der Herrschaft Wojtyla/Ratzinger wurden die meisten wieder linientreue Befehlsempfänger des Vatikans, ohne eigenes Profil und Verantwortung zu zeigen: auch ihre Antworten auf die neuesten kirchlichen Entwicklungen waren zögerlich und wenig überzeugend;
    3.  wenn die Theologenschaft sich wie früher kraftvoll, gemeinsam und öffentlich zur Wehr gesetzt hätte gegen neue Repression und den römischen Einfluss auf die Auswahl des wissenschaftlichen Nachwuchses in Fakultäten und Seminarien. Aber: die meisten katholischen Theologen haben begründete Angst, tabuisierte Themen in Dogmatik und Moral unvoreingenommen kritisch zu behandeln und deshalb zensuriert und marginalisiert zu werden. Nur wenige wagen die weltweite reformerische »KirchenVolksBewegung« zu unterstützen. Und von evangelischen Theologen und Kirchenführern erhalten sie auch nicht genug Unterstützung, da viele von ihnen Reformfragen als binnenkatholische Probleme abtun und manche in der Praxis die guten Beziehungen zu Rom der Freiheit eines Christenmenschen bisweilen vorziehen. Wie in anderen öffentlichen Diskussionen spielte die Theologie selbst in den jüngsten Auseinandersetzungen um die katholische und die anderen Kirchen eine geringe Rolle und verpasste die Chance, die notwendigen Reformen entschieden einzufordern.
Woran die Kirche leidet
    Von den verschiedensten Seiten wurde ich immer wieder mündlich und schriftlich gebeten und ermuntert, klar Stellung zu beziehen zu Gegenwart und Zukunft der katholischen
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