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Der Fremde aus dem Meer

Titel: Der Fremde aus dem Meer
Autoren: Amy J. Fetzer
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sich bei der schweigsamen Frau unter.
    »Ich werde jetzt eine gute Freundin sein und Sie allen vorstellen. Allen allein stehenden Männern«, sagte sie nachdrücklich in Richtung Tony. Der sprang sofort beschützend an Clarissas Seite, wobei sein Schwert gegen sein Bein schlug. Ängstlich warf Penny einen Blick über die Schulter zurück auf Ramsey. Sie wollte ihn warnen, indem sie mit dem Kopf kaum merklich auf einen dunkel gekleideten Mann in der Nähe der Tür zeigte, dessen Gesicht vollständig von einer Kapuze verhüllt war. Er schaute sich um, entdeckte den Mann, den sie meinte, und sah sie wieder an. Stumm artikulierte er nur mit seinen Lippen: Ich liebe dich. Dann schlängelte er sich durch die Menschenmenge.
    Unter der Kapuze folgte sein Blick dem hoch gewachsenen Mann in dem braunen Samtkostüm, wie er durch die Menge ging, hier und da hielt, um jemanden zu begrüßen und ein wenig zu plaudern, und dann seinen Weg fortsetzte. Er stieß sich von der Wand ab und folgte ihm langsam auf demselben Weg, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
    Als Ramsey O’Keefe durch die hohen, offenen Türen schlüpfte, war er nur wenige Meter hinter ihm.
    Eine behandschuhte Hand drückte auf den unteren Teil eines Paneels in der Holzvertäfelung, und das Holz gab unter dem sanften Druck nach. Die Angeln quietschten, als der Mann das Paneel öffnete. Dann schob er sich langsam durch die enge Öffnung und schlüpfte in den dunklen Gang. Spinnweben verhängten das Innere wie fein gesponnene Seidenschleier. Er wischte sie zur Seite, stieß den alten Hebel zurück und verschloss den Gang. Er bewegte sich flink, und seine Stabtaschenlampe warf einen schmalen Strahl auf die Wände, den Boden und in die Ecken, während er sich drehte und wendete und Leitern hinaufkletterte. Als er an seinem Ziel ankam, blieb er stehen, schloss die Augen und lauschte auf das Geräusch von Schuhen, die an Holz stießen und quietschten. Er fragte sich, wer sonst noch von diesem Gang wusste, und wartete, bis das Geräusch schwächer wurde. Dann riss er plötzlich mit einem Ruck an dem Hebel. Es gab kein Geräusch, kein morsches Ächzen. Er runzelte die Stirn. Dann stieß er das Paneel auf und trat in den dunklen Raum.
    Er war leer. Das einzige Licht hing hoch über einem Gemälde an der Wand.
    Gemächlich schlenderte Phalon Rothmere unter den Gästen umher, wobei er gelegentlich beobachtete, wie Penelope in dem Saal umherging. O’Keefe war leicht zu erkennen, denn er war um einiges größer als die meisten Gäste. Phalon sprach mit Geschäftspartnern, einem Senator und einem sehr gesprächigen Produzenten, der noch Investoren suchte, bis er sich entschuldigte, um bei dem Kongressabgeordneten stehen zu bleiben, dem er selbst zu seinem Amt verholfen hatte. Er hörte nur mit halbem Ohr zu, während er verstohlen nach Hamilton in der Menge Ausschau hielt. Sein Blick ruhte auf dem daumengroßen Diamanten über der Rundung ihrer Brüste. Ihre behandschuhte Hand hob sich, um ihn zu berühren, ihn zu streicheln, und Phalon überkam ein brennend heißes Begehren, ihn ihr vom Hals zu reißen.
    Die Rote Lady.
    Annoras Besitz.
    Phalon erlebte eine quälende Mischung aus Lust, Gier und äußerster Reue. Dieses seltene Juwel gehörte ihm, alles, was ihm übrig geblieben war von dem, was Annora geliebt hatte.
    Mitten im Satz verließ er den Kongressabgeordneten und ging auf Penelope zu. Dann erstarrte er. Plötzlich konnte er O’Keefe nicht mehr sehen.

40
    Als er in der Mitte des großen Studierzimmers stand, nahm Ramsey seine Maske ab und starrte auf das Bild.
    »Was für ein Durcheinander du mir hinterlassen hast, Weib«, sagte er zu Tess’ Bildnis und hatte keinen Zweifel, dass die kluge Frau schon zweihundert Jahre vorher gewusst hatte, dass dieser Abend kommen würde. Er ging um den Tisch herum und nahm das Bildnis von der Wand. Suchend fuhr er mit den Fingern über den Rücken der Leinwand und über den Rahmen. Das Bild war der einzige Gegenstand, von dem Tess gewusst hatte, dass er sich über die Zeit hinaus unversehrt erhalten würde. Das überwältigende Gefühl, das er an dem Tag erlebte, als er dieses Porträt aufs Neue sah, hinterließ bei ihm den Eindruck, dass ihr Geist diesen Raum ganz durchdrungen hatte. Das wiederum trieb ihn an, auch über das Einfache und offen Zutageliegende hinaus weiterzusuchen. Er atmete den lange angehaltenen Atem aus, als seine Finger eine aufgeraute Stelle ertasteten. Er hielt die Rückseite ins Licht und zupfte an
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