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Der Fluch des Volkstribuns

Der Fluch des Volkstribuns

Titel: Der Fluch des Volkstribuns
Autoren: John Maddox Roberts
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I
    Ich war glücklicher, als es einem sterblichen Wesen gestattet ist, und ich hätte es wissen müssen. In der gesamten überlieferten Mythologie, in jeder griechischen Tragödie wird uns eines absolut deutlich vor Augen geführt: Wenn du unvergleichlich glücklich bist, haben es die Götter auf dich abgesehen. Sie mögen es nicht, wenn Sterbliche glücklich sind, und du wirst unweigerlich dafür bezahlen.
    Ursache meines Glücks war die Tatsache, daß ich nicht in Gallien war. Auch nicht in Parthien, Griechenland, Iberien, Afrika oder Ägypten. Statt dessen war ich im Zentrum der Welt.
    Ich war in Rom, und für einen Römer gibt es kein größeres Glück, als zu Hause zu sein. Wenn man nicht in Rom sein kann, ist Alexandria keine schlechte zweite Wahl, aber es ist eben nicht Rom.
    Ich war nicht nur in Rom, sondern ich war auch auf dem Forum, wo unweit des Goldenen Meilensteins alle Straßen münden. Der Goldene Meilenstein ist in Wirklichkeit nicht golden, sondern lediglich ein bißchen vergoldet, aber ich würde ihn trotzdem jedem protzigen barbarischen Monument vorziehen. Außerdem war es ein wunderschöner Tag, was immer gut ist. Und ich kandidierte für ein Amt, das ich bestimmt erringen würde. Ich war meines Sieges gewiß, denn wenn wir Meteller ein hohes Amt verlangten, bekamen wir es auch.
    Es gab nur einen kleinen, winzigen Makel an meinem ansonsten vollkommenen Glück. Das Amt, für das ich kandidierte, war das des Aedilen. Laut Verfassung zählte es zwar nicht zwingend zu dem Cursus honorum, jener Hierarchie öffentlicher Ämter, die man Stufe für Stufe durchlaufen mußte, um die höchsten Positionen des Praetors und Konsuls bekleiden zu können, die nicht nur die größte Ehre, sondern mit ihren nachfolgenden propraetorianischen und prokonsularischen Oberbefehlen auch die fetteste Beute versprachen.
    Auf den Schultern der Aedilen lastete die Verantwortung für Ordnung und Wohlfahrt der Stadt. Sie waren zuständig für die Märkte, die Erhaltung der Straßen und öffentlichen Gebäude, die Durchsetzung der Bauvorschriften, die Überwachung der öffentlichen Moral (was immer gut für einen Lacher war) und all die anderen Pflichten, zu denen man sonst niemanden überreden konnte.
    Außerdem waren die Aedilen verantwortlich für die öffentlichen Spiele, und vom Staat erhielten sie nur eine kümmerliche Zuwendung für diese notwendigen, aber horrend teuren Spektakel. Das heißt, wenn man wirklich aufsehenerregende Spiele veranstalten wollte, mußte man sie aus der eigenen Tasche finanzieren, was wiederum bedeutete, daß man sich, wenn man nicht unglaublich reich war, das Geld leihen und sich auf Jahre verschulden mußte.
    Warum also, mag man sich fragen, sollte irgend jemand dieses schwere Amt anstreben, wenn es verfassungsmäßig gar nicht erforderlich war? Aus dem ganz einfachen Grund, daß die Bevölkerung an die prächtigen Inszenierungen der Aedilen gewöhnt war; es wurde keiner zum Praetor gewählt, wenn er nicht vorher gebührend aufwendige Spiele veranstaltet hatte.
    Diese unangenehme Notwendigkeit des öffentlichen Lebens hatte sich für Caesar als unerwarteter Vorteil erwiesen. Als Aedil hatte er derart gewaltige Schuldenberge angehäuft, daß jedermann glaubte, er habe sich bei seinen Bemühungen um den Pöbel ruiniert. Dann stellten einige der wichtigsten Männer Roms plötzlich fest, daß sie, wenn sie noch irgend etwas von den gewährten Darlehen wiedersehen wollten, Caesar in höhere Ämter hieven mußten, damit er reich werden konnte. Im Falle Caesars ging die Rechnung auf, aber es bedeutete, daß die Wähler nun an noch verschwenderischere Spiele gewöhnt waren: mehr Renntage, mehr Komödien und Dramen, mehr öffentliche Feste und - am allerwichtigsten mehr und bessere Gladiatoren. Wo einstmals schon die Präsentation von zwanzig Paaren aus den städtischen Gladiatorenschulen als gelungene Inszenierung galt, erwarteten die Leute jetzt vier- oder fünfhundert Paare der besten kampanischen Schwertkämpfer mit Helmbusch und vergoldeter Rüstung. Und nichts von all dem war billig.
    Doch all diese düsteren Aussichten beschäftigten mich kaum, als ich an einem wunderbaren Tag im Frühherbst, wenn Rom und ganz Italien am schönsten sind, auf dem Forum stand. Der Rauch der Altäre stieg kerzengerade zum wolkenlosen Himmel auf, überall blühten Blumen. Die drückende Hitze des Sommers war vorüber, und winterlicher Regen, Wolken und Winde waren noch weit entfernt. Wie die anderen Kandidaten trug
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