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Der Fluch des Volkstribuns

Der Fluch des Volkstribuns

Titel: Der Fluch des Volkstribuns
Autoren: John Maddox Roberts
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voraus zubleiben.
    »Sei gegrüßt, Praetor Urbanus!« rief ich. Titus Annius Milo und ich waren alte Freunde, doch in der Öffentlichkeit durfte ich ihn nur mit seinem offiziellen Titel ansprechen. Er hatte, frisch aus Ostia gekommen, als Ganove angefangen, es jedoch irgendwie geschafft, mich auf dem Cursus honorum zu überholen, auch wenn ich nie ganz begriffen habe, wie. Mit welchen Mitteln auch immer, niemand hatte diese Ehre mehr verdient als er. Er war der lebende Beweis dafür, daß man nur die Bürgerrechte brauchte, um in Rom etwas aus sich zu machen. Daß seine Energie seinem Ehrgeiz in nichts nachstand und er von ehrfurchtgebietender Kompetenz, übermenschlicher Kraft, einem gottgleichen Aussehen und völliger Skrupellosigkeit war, war ihm auch nicht zum Nachteil gereicht.
    Er umarmte mich fachmännisch, das heißt, ohne mich wirklich zu berühren und sich selbst damit einzustauben. Seine Schlägertruppe unternahm einen lächerlichen Versuch, würdig und respektabel auszusehen. Zumindest hielt Milo sie aus Achtung vor seinem Amt an der kurzen Leine. Er war Clodius' Todfeind, und jeder wußte, daß im nächsten Jahr, wenn keiner von beiden ein Amt bekleiden würde, auf den Straßen Roms offener Krieg herrschen würde.
    »Auf dem Weg zum Gericht?« fragte ich.
    »Ich fürchte, ich habe einen langen Tag voller Termine vor mir«, erklärte er wehmütig. Wenn Milo eines haßte, dann den ganzen Tag still zu sitzen, selbst wenn er dabei etwas Wichtiges tat. Andererseits war es ein Trick von ihm, alle Beteiligten zu irritieren, indem er in regelmäßigen Abständen von seinem Curulis aufsprang und, ihnen finstere Blicke zuwerfend, die gesamte Breite der praetorialen Plattform auf und ab marschierte. Es war eben seine Art, seine überschüssige, nervöse Energie abzureagieren, doch er sah genauso aus wie ein hyrkanischer Tiger, der in seinem Käfig auf und ab läuft, kurz bevor er auf einen armen Tropf losgelassen wird, der auf die falsche Seite des Gesetzes geraten ist.
    »Wie kommen die Renovierungsarbeiten voran?« fragte ich ihn.
    »Fast fertig«, erwiderte er mit gequälter Miene. Er war mit Fausta verheiratet, Tochter des verstorbenen Sulla, der wahrscheinlich eigensinnigsten und extravagantesten Frau ihrer Generation. Jahrelang hatte Milo in einer kleineren Festung mitten in seinem Territorium gelebt, doch Fausta hatte sich ausbedungen, daß sie in eine Behausung verwandelt wurde, die einer vornehmen Cornelierin und Tochter eines Diktators würdig war.
    »Wenn du die Umbauten bewundern möchtest, würden wir dich und Julia heute abend gern zum Essen einladen«, erklärte er, und seine Miene hellte sich auf.
    »Mit dem größten Vergnügen!« erwiderte ich. Nicht nur ich genoß seine Gesellschaft, auch Julia und Fausta waren gute Freundinnen. Darüber hinaus war ich nicht in der Position, ein kostenloses Mahl abzulehnen. Mein Anteil an der Beute aus Caesars ersten Eroberungen in Gallien hatte mich zwar zum ersten Mal in meinem Erwachsenenleben beruhigend wohlhabend nach Rom heimkehren lassen, doch diese Reichtümer würden im nächsten Jahr unwiederbringlich verschwinden, »Gut, gut«, sagte Milo. »Gaius Cassius wird auch da sein, und der junge Antonius, wenn er geruht zu erscheinen.
    Er war mit Gabinius in Syrien; aber er hat sich gelangweilt und ist wieder zurück gekommen. Er kann nie lange still sitzen.«
    Er sprach natürlich von Marcus Antonius, der eines Tages ziemlich berühmt werden sollte, damals jedoch vor allem als strahlendstes Licht unter Roms goldener Jugend bekannt war, ein lärmender, maßloser, junger Mann, der nichts desto weniger ungeheuer sympathisch war.
    »Mit Antonius ist es immer lustig«, sagte ich. »Wer kommt sonst noch?«
    Er wedelte locker mit der Hand. »Wer immer mir heute noch einfällt, und Fausta bespricht sich ohnehin nicht mit mir, so daß es praktisch jeder sein kann.« Milo hielt sich nie an die spießige Formalität, neun Personen zu einem Essen zu versammeln.
    Häufig lagerten zwanzig oder mehr Gäste um seinen Tisch. Er arbeitete unermüdlich an seiner politischen Karriere und neigte dazu, jeden einzuladen, der ihm von Nutzen sein konnte. Zumindest wußte ich, daß ich in seinem Haus sicher nicht Clodius begegnen würde.
    »Solange es nicht Cato oder ein ähnlicher Langeweiler ist.«
    Milo begab sich zum Gericht, und ich widmete mich wieder meiner Gruß-und-Grins-Runde. Gegen Mittag wurde das Treiben ein wenig lebhafter, als zwei Volkstribunen die Rostra bestiegen
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