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Der Fluch des Volkstribuns

Der Fluch des Volkstribuns

Titel: Der Fluch des Volkstribuns
Autoren: John Maddox Roberts
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ich eine speziell gebleichte Toga, die Candida, damit jeder gleich wußte, wer die Narren waren, die einfach nur dastanden und nichts sagten.
    Ein uraltes Gesetz verbot es dem Kandidaten nämlich, selbst auf Wählerfang zu gehen. Er mußte an einer Stelle stehenbleiben und darauf warten, daß jemand auf ihn zukam und ihn ansprach, woraufhin er ihn umwerben durfte, was das Zeug hielt. Natürlich wurde jeder Kandidat von seinen Klienten begleitet, die sich als Jubelperser betätigten, ihm fortwährend bewundernde Blicke zuwarfen und Passanten belästigten, um ihnen zu erklären, was für ein prächtiger Bursche ihr Patron war.
    Auf Fremde hat das Ganze vermutlich recht lächerlich gewirkt, aber bei gutem Wetter war es ein angenehmer Zeitvertreib, vor allem, wenn man gerade Gallien und Caesars gewaltigem, blutigem Krieg dort entronnen war. Caesar hatte mir eine Beurlaubung gewährt, damit ich nach Hause zurückkehren und kandidieren konnte, wobei abgemacht war, daß ich mich nach Beendigung meines Amtsjahres unverzüglich wieder bei ihm melden sollte. Nun, das würde man sehen. Bis dahin konnte Caesar schon tot und sein Feldzug in einer Katastrophe geendet sein, eine Entwicklung, um die seine Feinde beteten und für die sie dem Jupiter Maximus täglich opferten.
    Doch der Krieg war weit weg, das Wetter prachtvoll, ich erfüllte mit meiner Kandidatur meine caecilianische Bestimmung, und meine Feste, Ludi und Munera, standen erst in neun Monaten an; ich war mit der Welt zufrieden. Auch vor dem Pöbel meines Erzfeindes Clodius war ich relativ sicher, weil er ein Lakai Caesars und ich frisch verheiratet mit Caesars Nichte Julia war. Ich hätte den Ärger kommen sehen müssen, obwohl das auch keinen großen Unterschied gemacht hätte. Und eigentlich fing der Tag ziemlich gut an.
    Der erste Mann, der auf mich zukam, war mein vornehmer Verwandter mit dem öden Namen Quintus Caecilius Metellus Pius Scipio Nasica. Bei einem solchen Namen hätte man einen weit größeren Mann erwartet, doch er war eher schmächtig und nur per Adoption ein Caecilier, auch wenn das nicht viel zu bedeuten hatte. Sämtliche bedeutenden Familien waren so verschwägert, daß wir alle einen ähnlichen Grad an Blutsverwandtschaft hatten, wie immer wir auch heißen mochten.
    »Guten Morgen, Scipio«, sagte ich, als er auf mich zukam.
    »Hast du heute Dienst?« Da ich für ein Amt kandidierte, war es selbstverständlich, daß sich die bedeutendsten Männer der Familie von Zeit zu Zeit in meiner Gesellschaft zeigten. Scipio war einer der diesjährigen Praetoren, doch er war nicht in Begleitung seiner Liktoren. Außerdem war er noch Pontifex, und an diesem Morgen trug er die pontifikalen Insignien; er war also zu einem religiösen Termin unterwegs.
    »Man hat ein Treffen des Kollegiums der Pontifices einberufen«, sagte er. »Ich dachte, ich schaue kurz vorbei, um dir wenigstens einen Hauch der dringend benötigten Respektabilität zu verleihen.« Mein Ruf in der Familie war nicht der allerbeste. Während wir uns unterhielten, grinsten wir uns fortwährend an wie die Affen, damit jeder Beobachter sehen konnte, wie sehr der erhabene Pontifex den geringen, aber pflichtbewußten und gewissenhaften Kandidaten schätzte, der sich in bester republikanischer Tradition um die schwere Last eines Amtes bemühte. Das gleiche passierte mit leichten Variationen überall auf dem Forum, wo sich die nach einem Amt Strebenden versammelt hatten.
    »Nun, Decius, ich muß jetzt weiter. Viel Glück.« Er klopfte mir auf die Schulter, so daß eine Wolke des feinen Kalks aufstob, mit dem meine Toga geweißt war. Sie senkte sich über Scipio, und er mußte niesen.
    »Vorsicht, Scipio«, sagte ich, »sonst denken die Leute noch, du kandidierst auch für ein Amt.« Schniefend und seine Kleidung abklopfend, eilte er zu seinem Treffen davon, was meine gute Laune noch weiter anhob. Überdies erblickte ich einen Menschen, den ich sehr viel lieber sah.
    »Sei gegrüßt, Decius Caecilius Metellus der Jüngere!« rief er und kam mit einer großen Horde verwegen aussehender Klienten im Schlepptau auf mich zu. Seine Stimme hallte laut über das ganze Forum, und die Menge teilte sich vor ihm wie das Wasser vor der Ramme eines Schlachtschiffs. Im Gegensatz zu Scipio wurde er auch von seinen Liktoren begleitet. Nach alter Sitte hätten sie vor ihm gehen und ihm mit ihren Fasces einen Weg bahnen sollen, doch es brauchte schon einen besonders flinken Mann, um diesem Magistraten einen Schritt
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