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Der Fluch des Volkstribuns

Der Fluch des Volkstribuns

Titel: Der Fluch des Volkstribuns
Autoren: John Maddox Roberts
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und ihre Tiraden auf die Menge nieder gehen ließen.
    Strenggenommen durften sie das nur anläßlich einer gesetzmäßig einberufenen plebejischen Volksversammlung, doch damals herrschte gerade eine recht aufgebrachte Stimmung, und in solchen Zeiten neigten die Tribunen dazu, die Verfassung zu ignorieren. Da sie sakrosankt waren, konnte niemand etwas dagegen tun, außer zurückzubrüllen.
    Ich stand zu weit entfernt, um zu verstehen, was sie sagten, doch das Wesentliche wußte ich bereits. Marcus Licinius Crassus, Triumvir und angeblich der reichste Mann der Welt, bereitete einen Feldzug gegen Parthien vor, und eine Reihe von Tribunen war sehr ungehalten über das Projekt. Ein Grund dafür war die Tatsache, daß die Parther nichts getan hatten, was einen Krieg gerechtfertigt hätte, ein anderer, daß Crassus bereits unvorstellbar reich war und durch einen siegreichen Feldzug noch reicher und damit noch gefährlicher werden würde. Aber viele Leute haßten Crassus einfach nur so, und das war der beste Grund von allen. Vor allem die Tribunen Gallus und Ateius griffen Crassus vehement an, und diese beiden waren es auch, die an jenem Tag auf dem Forum herumbrüllten.
    All ihr Lamentieren war natürlich völlig zwecklos, weil Crassus vorhatte, die Legionen komplett aus seiner eigenen Tasche zu finanzieren. Er würde keinerlei Forderungen an den Staatshaushalt stellen, und es gab kein römisches Gesetz, das einen Mann daran hindern konnte, wenn er über die entsprechenden Mittel verfügte. Also würde Crassus seinen Krieg führen. Dagegen hatte ich nichts, solange ich nicht mit ihm ziehen mußte. Kein Mensch war gegen diesen Krieg, weil er ernsthaft annahm, wir könnten ihn verlieren. In jenen Tagen hatten die Parther als Krieger bei uns keinen besonders guten Ruf. Ihre Botschafter trugen das Haar lang und parfümiert, die Augenbrauen waren bemalt und das Gesicht gepudert. Und als ob das noch nicht gereicht hätte, trugen sie auch noch lange Ärmel. Welches weiteren Beweises hätte es noch bedurft, um sie als einen Haufen weibischer Degenerierter zu entlarven?
    Der geplante Krieg war derart unpopulär, daß Rekruteure manchmal von einem wütenden Mob angegriffen wurden. Nicht, daß in Rom nennenswerte Rekrutierungsbemühungen im Gange gewesen wären. Die Bürgerschaft legte mittlerweile einen beklagenswerten Widerwillen an den Tag, überhaupt noch in der Legion zu dienen, so daß die kleineren Städte Italiens mehr und mehr unsere Soldaten stellten.
    Caesars Krieg in Gallien war auch nicht viel sinnvoller, aber er war ungeheuer populär. Seine Berichte, bei deren Abfassung ich ihm geholfen hatte, wurden breit gestreut veröffentlicht und verliehen seinem Namen weiteren Glanz, bis der Pöbel seine Siege für die eigenen hielt. Das Volk mochte Caesar und konnte Crassus nicht leiden. So einfach war das.
    In jenem Jahr war die Stadt voller Crassi. Schon zum zweiten Mal bekleidete Marcus Licinius Crassus zusammen mit Pompeius das Amt des Konsuls. Sein ältester Sohn, Marcus der Jüngere, kandidierte als Quaestor. Für Crassus war es also ungeachtet des Widerstands gegen seinen geplanten Feldzug ein großartiges Jahr. Für zwei Männer, die sich so haßten wie er und Pompeius, gingen sie erstaunlich freundlich miteinander um.
    Crassus war wahnsinnig neidisch auf Pompeius' militärischen Ruhm, und Pompeius war ähnlich eifersüchtig auf Crassus' legendären Reichtum.
    Gnaeus Pompeius Magnus war wahrscheinlich der am meisten überschätzte General, den Rom je hatte, doch selbst seine Feinde, zu denen auch ich mich zählte, hatten nie Zweifel an seinem administrativen Genie. Wenn er sich nicht von dem Traum, ein neuer Alexander zu werden, hätte verführen lassen, würde sein Name und Ruf heute erstrahlen wie der von Cincinnatus, Fabius und Scipio. Statt dessen jagte er soldatischen Ehren nach und starb elendig in der Gewalt eines orientalischen Tyrannen, genau wie übrigens auch Crassus, der dieses Schicksal weit mehr verdient hatte.
    Doch auch diese düsteren Aussichten lagen an jenem Tag noch in weiter Zukunft. Mein Appetit sagte mir, daß es fast Mittag sein mußte, also schlenderte ich zu der großen Sonnenuhr, um nach zu sehen. Es war damals noch die alte Uhr, die mehr als zweihundert Jahre zuvor als Kriegsbeute aus Sizilien hergeschafft worden war. Da sie auf Catania geeicht war, ging sie nicht besonders genau, doch es war die erste öffentliche Sonnenuhr, die je in Rom installiert worden war, und wir waren noch immer stolz
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