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Der Fluch der bösen Tat

Der Fluch der bösen Tat

Titel: Der Fluch der bösen Tat
Autoren: Leif Davidsen
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Zigaretten gebeten. Trotz Taucheranzug völlig durchfroren war er über die niedrige Reling geklettert – eine Stunde, nachdem irgendein Freizeitsegler sein im übrigen hübsches motorbetriebenes Holzboot mitten auf eine der größten Unterwasser-Müllkippen gesetzt hatte, die direkt vor einem belebten Handelshafen lag. Der schweigsame junge Mann war über die Reling gekommen, als sie südlich von Saltholm langsam nach Limhamn einliefen; es war dunkel und regnete Bindfäden. Seinen vier versoffenen Besatzungsmitgliedern war mitgeteilt worden, daß sie mit plötzlicher Blind- und Taubheit geschlagen zu sein hatten, wie sie jeden ereilen kann, der Geld oder zuviel zu trinken kriegt – oder eine Kombination aus beidem.
    So daß den jungen Mann also nur der Kapitän gesehen hatte.
    Und der Kapitän stellte keine Fragen. Bestimmte Dinge gingen ihn nichts an. Er kannte die Typen, die ihn kontaktiert und bezahlt hatten, und mit denen war nicht zu spaßen. Er kannte solche Kerls wie den schweigsamen Jungen, der über seine Reling geklettert war. Aus seiner Zeit als U-Boot-Mann in der sowjetischen Marine. Er hatte diese Sorte Jungs an der einen wie der anderen Seite dieser seichten Küsten an Land gesetzt. Sie abgesetzt und wieder abgeholt, ohne daß die Imperialisten auch nur das mindeste bemerkt hätten. Die Jungs waren Elitesoldaten in dem guten alten Land gewesen, und sie kletterten und schwammen, als hätten sie Ziegenhufe und Kiemen. Damals hatte ihn der Patriotismus angetrieben. Diesmal hatte er 25000 Dollar erhalten, um zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort zu sein. Er hatte die Boje und die schwarze Gestalt gesehen, die verdammt wenige Sekunden vor der Explosion ins Wasser sprang und nur einmal auf der Leeseite des brennenden Wracks die Nasenlöcher aus dem Wasser steckte, ehe sie wieder untertauchte und man die Boje treiben sah. Er war in den unterirdischen Wald aus verdrehtem, mit Algen überzogenem Metall, aus Beton und verwitterten Mauersteinen geschwommen, die teuflische Klippen bildeten. Der Kapitän wußte, was sich da unter Wasser abgespielt hatte. Es dürfte ihn nur wenige Sekunden gekostet haben, zunächst das Mundstück klarzukriegen und dann die restliche Ausrüstung und dann seinen ollen Pott anzupeilen, der für solch ein Sümmchen gern bereit war, ihn an einem dafür vorgesehenen Bügel unterm Rumpf ein Stück des Weges mitzuziehen. Der Kapitän trank noch einen Wodka und dachte einen Moment, daß er es sogar fast gratis gemacht hätte. Bloß um das gute alte Gefühl aus der Jugendzeit noch einmal zu erleben.
    Aber auch nur fast, dachte er, als der junge Mann auf der leeren Kaianlage verschwand. Und dann brüllte er seine besoffenen, faulen Matrosen an, sie sollten die Finger in Bewegung setzen, damit sie Kurs auf Königsberg nehmen könnten, bevor die Polizei ankam und blöde Fragen stellte, wie sie nur die Polizisten aller Länder und aller Systeme stellen konnten.

23
    LISE UND PER saßen, ohne daß ihre Körper sich berührten, nebeneinander auf dem Sofa in Lises Wohnung und sahen die Fernsehnachrichten um 21 Uhr. Vor sich hatten sie jeder ein Glas Rotwein und die Reste einer fast unberührten Mahlzeit, die Per aus einem chinesischen Imbiß geholt hatte. Sie waren bei der zweiten Flasche, aber der Wein hatte sie nur noch matter und schläfriger gemacht. Lise hatte seit dem »Ereignis«, wie sie es nannte, an Gewicht verloren, und das stand ihr nicht, aber er hatte doch den Eindruck, daß ein klein wenig Farbe in ihre Wangen zurückgekehrt war. Vielleicht war es nur der Wein. Sie hielt ihn auf Distanz, die er nicht überwinden zu können glaubte, es war, als wäre in ihrer Beziehung ein Schlagbaum niedergegangen. Eigentlich wußte er natürlich, warum, aber keiner von beiden hatte bislang Lust oder Mut gehabt, darüber zu sprechen. Vielleicht gab es auch Dinge, über die man lieber nicht sprechen sollte. Er war selber so erschöpft. Er hatte alles satt: die Besprechungen, die Berichte, die Chefs, die Mutmaßungen der Presse und den Gedanken, daß die Verantwortung an ihm hängenbleiben würde. Voller Reue und Trauer über Johns Tod und über sein eigenes Unvermögen gegenüber der Witwe und den hinterbliebenen Kindern. Er hatte diese ganze verfluchte Sache satt, die nur Opfer gefordert hatte.
    Er verfolgte die Nachrichten nicht, sondern betrachtete Lise wieder. Er empfand eine große Zärtlichkeit für sie, aber es schien, als wäre das wilde Verliebtsein schon ausgebrannt, ehe es noch
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