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Der Fluch der bösen Tat

Der Fluch der bösen Tat

Titel: Der Fluch der bösen Tat
Autoren: Leif Davidsen
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Büros und komfortablen Wohnungen aus verstreuten die Intellektuellen Worte, die den Haß schürten und hegten.
    Langsam bewegte er sich durch die Menge auf sein Lieblingscafé zu. Mit gemessenem Kopfnicken grüßte er die Bürger, die ihn erkannten, und beobachtete mit Abscheu einige halbbetrunkene UN-Soldaten, die mit zwei jungen Mädchen ins Gespräch kommen wollten. Die UN-Soldaten waren Ukrainer, an so was waren die Mädchen kaum interessiert, es sei denn die Ukrainer hätten mit ihren Schmuggelaktivitäten so viele D-Mark verdient, daß das ihren Widerwillen besiegen konnte. Er machte sich im Kopf eine Notiz für seinen nächsten Rundfunkkommentar. Über die Notwendigkeit, in der schweren Stunde des Ringens sauber zu bleiben. Es wäre eine weitere moralische Unterstützung für die Kämpfer an der Front, dachte er zufrieden.
    Vuk beobachtete ihn aus einiger Entfernung.
    Vuk saß auf einem zerkratzten Motorrad, dessen Kennzeichen von einer Schmutzschicht bedeckt war. Er trug einen Helm mit heruntergeklapptem Visier. Mit seinen blauen Jeans und der braunen zerschlissenen Lederjacke sah er aus wie jeder andere Halbstarke in der Hauptstadt des unabhängigen Kroatien.
    Vuk betrachtete Draskuvic sorgfältig. Seinen wiegenden Gang, mit dem er seinen fetten Hintern fast wie eine Frau hin und her bewegte, und die Wampe, die die Luft wie ein schwerer, flachbödiger Prahm die Donau durchpflügte. Seit fünf Tagen erwartete Vuk ihn an dem Café. Am ersten Tag hatte Vuk einen Anzug an und saß an einem Tisch des Straßencafés. Am zweiten Tag war er in der Uniform der dänischen UN-Streitkräfte vorbeigegangen. Am dritten Tag hatte er wieder seinen Anzug an. Am vierten Tag trug er ein kurzärmliges Hemd mit heller Hose und eine dieser ärmellosen Westen, mit denen ausländische Journalisten umherzustolzieren pflegten.
    Draskuvic änderte nie seine Route. Er würde um neun im Funkhaus eintreffen und um halb elf zum Café hinuntergehen, um Kaffee zu trinken und Zeitung zu lesen. Vuk fand es absurd, daß er keine Vorsichtsmaßnahmen ergriff. Das Land befand sich im Krieg, und Draskuvic war einer dieser Bastarde, die mit ihrer Propaganda den Haß gegen die Serben schürten. Wußte er denn nicht, daß er ein Ziel sein konnte? War er so dumm? Oder so arrogant?
    Vuk schwitzte. Er fühlte, wie ihm die Schweißtropfen den Nacken und die Wangen hinunterliefen. Das T-Shirt klebte am Rücken und am Bauch. Unter dem dicht schließenden Helm und der Lederjacke war es heiß, aber er schwitzte nicht nur deshalb. Vor einer Aktion schwitzte er immer. Man sprach von Angstschweiß, aber der wurde gewöhnlich als kalt beschrieben. Also war es vielleicht keine Angst oder Nervosität, sondern einfach zu viel Adrenalin.
    Seine Hände waren relativ ruhig. Seine Sinne waren besonders geschärft und prägten sich Einzelheiten so präzis und klar ein, daß sie wie ziseliert wirkten. Die schön geschwungenen Lippen einer Frau, die beinahe schwarzen Augen eines Kindes, die pickligen Backen eines ukrainischen Soldaten, gelbe Farbe, die von einer Mauer blätterte, das Dröhnen eines defekten Auspuffs, der Geruch schlechten Benzins und eines ungewaschenen Körpers, der an seinem Motorrad vorbeiging. Draskuvic und sein ungeschützter Wanst und sein nichtsahnendes, fast kindliches Gesicht mit der glatten Haut.
    Draskuvic setzte sich an einen freien Tisch in der zweiten Reihe, der sich im Schatten der Markise befand. Der Kellner kannte ihn und brachte Kaffee und eine Zeitung. Draskuvic zündete seine Zigarre an, und Vuk startete das Motorrad. Es heulte auf, und wer darauf geachtet hätte, hätte gemerkt, daß sich unter seinem zerkratzten, verschmutzten Äußeren ein neuerer Motor verbarg. Er machte den Reißverschluß der Lederjacke halb auf, steckte die rechte Hand hinein und umfaßte den Schaft der russischen Markarow. Sie enthielt acht Neun-Millimeter-Patronen. Es war eine ziemlich unhandliche Pistole, aber Vuk fand sie zuverlässig, weil sie wie der Großteil der alten sowjetischen Ausrüstung einfach hergestellt und auch unter schwierigen Umständen zu handhaben war. Die Markarow hatte einen recht dicken Griff, aber das machte nichts. Er trug ohnehin dünne Lederhandschuhe. Auf die Entfernung brauchte man keine Präzision, sondern Durchschlagskraft. Zwei Tische von Draskuvic entfernt saß ein jüngeres Paar, die beiden Verliebten unterhielten sich leise mit zusammengesteckten Köpfen. Im Café weiter hinten spielten einige ältere Männer Karten. Rechts
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