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Der Fluch der bösen Tat

Der Fluch der bösen Tat

Titel: Der Fluch der bösen Tat
Autoren: Leif Davidsen
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Menschen draußen, obwohl der Krieg vorübergezogen war. Nach einigen Stunden hielt Vuk auf einem Hügel und schaute auf eine größere Landstraße unter ihm. Eine Kolonne wirbelte Staub auf. Es waren Traktoren, die Pferdewagen im Schlepptau hatten, oder kleine Leiterwagen, die von einem einzelnen Pferd gezogen wurden. Blauer Dieselqualm hing in der Luft. Die Wagen waren mit Kleidungsstücken, alten Möbeln, Kochtöpfen und Matratzen bepackt. Die Kinder starrten mit leeren Augen vor sich hin, und die Männer waren unrasiert. Die bunten Tücher der Frauen waren mit einer feinen Staubschicht bedeckt. Er folgte seinen Landsleuten mit den Augen. Jetzt schmeckten auch sie den Staub der Flucht. Er rauchte eine Zigarette und sah ihnen nach, dann setzte er sich wieder in das Auto. Ein paar hundert Meter fuhr er eine nicht asphaltierte Nebenstraße entlang, dann parkte er am Rande einer Baumgruppe. Er holte einen zerschlissenen Rucksack aus dem Kofferraum und stellte ihn auf die Erde. Er nahm eine Sprengladung aus dem Rucksack, stellte den Zünder auf fünf Minuten ein und legte die Apparatur auf den Vordersitz. Er zog die Lederjacke an, schnallte den Rucksack um und ging mit raschen, aber nicht übereilten Schritten von dem Auto zur Save hinunter, die Kroatien und Bosnien-Herzegowina trennt. Er drehte sich nicht um, als er den dumpfen Knall und das knisternde Geräusch des brennenden Lada hörte. Dann explodierte der Benzintank, und schwarzer Rauch stieg zum Himmel empor. Es war lange her, daß eine Bombe auf dem Balkan größere Aufmerksamkeit zu erregen vermocht hatte. Vielleicht würde irgendwo am blauen Himmel ein neugieriges NATO-Flugzeug in die Kurve gehen, um zu erkunden, was da brannte. Der Pilot würde ein brennendes Auto entdecken und einen kleinen Punkt, der sich bewegte. Einen Hirten, der ganz allein vor sich hin marschierte. Noch einen einsamen Flüchtling in einem Land von Flüchtlingen.
    Im Laufe des Abends erreichte Vuk das kleine Haus, das am Dorfrand lag. Seine Schultern schmerzten, er war müde. Aus dem Schornstein stieg weißer Rauch. Dach und Mauern waren intakt. Hier hatte der Krieg nicht angeklopft. Vuk sah sich aufmerksam um. Ein Hund lief mit eingezogenem Schwanz an einer Hausmauer entlang. Er war gelb und schwächlich, aber er bellte nicht. Vuk hob die Hand, um zu klopfen, als die Tür aufging.
    »Hallo, Vuk. Ich hab schon auf dich gewartet«, sagte die Frau, die geöffnet hatte. Sie war sehr jung mit schwarzem langem Haar und dunklen, schönen Augen, die leblos schienen.
    »Hallo, Emma«, sagte er und küßte sie auf den Mund.
    »Ich hab nach dir Ausschau gehalten«, sagte sie. »Es war schon in den Nachrichten.«
    Vuk sagte nichts.
    »Das mit dem kroatischen Schriftsteller«, fuhr sie fort.
    »Es ist am besten, wenn du nichts weißt.«
    »Komm herein, Vuk. Bleibst du über Nacht?«
    »Ich werde im Laufe der Nacht den Fluß überqueren.«
    »Schade. Aber … Er hat eine Nachricht geschickt, der Kommandant. Er will so schnell wie möglich mit dir reden.«
    Zum ersten Mal lächelte Vuk. Sein Gesicht hellte sich auf. Die harten Züge schienen zu verschwinden, und er schien wieder der Junge zu werden, der sich hinter der verkniffenen Miene verbarg.
    »Komm jetzt rein, Vuk. Ich werde dir die Haare waschen«, sagte Emma und lächelte ebenfalls.
    Die Stube war einfach und geschmackvoll eingerichtet. In der Mitte stand ein Eßtisch, an der Wand ein Bücherschrank mit gebundenen Büchern. An den Wänden hingen Bilder mit den bosnischen Bergen, und in der Ecke standen ein Sessel und eine Lampe, die gemütliches Licht gab, daneben ein kleiner Tisch mit einem Spitzendeckchen. Auf dem Tisch lagen ein Buch und Nähzeug. Es war ein sehr sauberer und femininer Raum. Man blickte in eine kleine Küche. Auf dem Herd dampfte ein Kochtopf mit Wasser. Ein kleiner Flur führte in ein Schlafzimmer mit einem Doppelbett. Über dem Bett hing ein orthodoxes Kruzifix.
    Vuk betrachtete Emmas schlanke Beine unter dem dünnen Rock, während er seine Lederjacke und das Hemd auszog. Er war dünn, aber muskulös. Auf seiner linken Schulter verlief eine Narbe, als wäre er dort von einem Messer getroffen worden. Emma nahm einen der Stühle vom Eßtisch und stellte ihn auf ein paar Zeitungen, die auf dem gefliesten Küchenboden ausgebreitet waren.
    »Setz dich, Vuk«, sagte sie.
    Sie nahm einen Eimer und schüttete das heiße Wasser aus dem Kochtopf, der auf dem Herd stand, in eine Schüssel auf dem Küchentisch. Sie goß kaltes
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