Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mars Live

Mars Live

Titel: Mars Live
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
 
1
     
    Ebenso riesig wie einsam, sah das Ding aus wie ein großer zusammengefalteter Schirm, mit drei Zylindern so lang wie Fußballplätze, die um den vorderen Teil eines kilometerlangen Plastikbalkens gebündelt waren; noch nicht von jenem Staub verdunkelt, der allmählich das Universum verdunkelt, erstrahlte es im Licht des schneebedeckten Planeten darunter. Auf dem vorderen – und einzigen – Modul (der Brücke) war das Gemälde einer Frau mit hochgeknöpften Schuhen und einem Schirm zu sehen. Das Bild entsprach dem Stil der NASA-Projekte der damaligen Zeit und hatte einst 114.750,36 Dollar gekostet, obwohl es lediglich eine mittelmäßige Airbrush-Arbeit war, wie man sie auf Chevy-Lieferwagen finden konnte. Anders als die meisten Gegenstände, die sich in der Erdumlaufbahn befanden, war das Schiff etwas absolut Stationäres; es war mit einer Kreiselhemmung versehen, damit es weder rollen noch schwanken noch aus dem Kurs laufen noch wenden konnte. Es schlingerte nicht, und es drehte sich nicht um die eigene Achse. Seine Ventilatoren schwiegen, seine Schächte waren dunkel, seine Batterien waren kalt, und seine 185.387,39 Kilometer Leitungen warteten auf Befehle. Es glitt vollkommen gradlinig am Himmel dahin, denn wenn es sich gedreht hätte, hätte sich sein Brechungsindex verändert, und vielleicht wäre es dann von einem der neugierigen Astronomen der Erde entdeckt worden. Nur 618 Menschen auf dem Planeten wußten von seiner Existenz. Und sie alle waren per Eid zur Geheimhaltung verpflichtet worden.
     
    2015,28 Kilometer tiefer war einer der 618 dabei, seine Hunde zu füttern, als er das unverwechselbare, unerwartete Geräusch eines den Hang heraufkommenden Wagens hörte. Er machte sich nicht die Mühe aufzublicken. Es gab nur eine einzige Geschwindigkeit, mit der ein Wagen auf der holperigen, unbefestigten Straße fahren konnte, und nur eine einzige Stelle, an der er vom Haus aus zu sehen wäre. Genau im richtigen Augenblick setzte er seinen Beutel mit ›Hunter’s Horn Premium Hound Chow‹ ab, richtete sich auf und sah den Hügel hinunter. Bass’ scharfe Augen und sein Gefühl für exaktes Timing hatten seine Laufbahn überdauert, und in den 1,7 Sekunden, die der Wagen brauchte, um die einsehbare Strecke in einem halben Kilometer Entfernung zu durchqueren, sah er, daß es sich um eine Jeep-la-Ville-Limousine mit Vierradantrieb handelte. Ein ungewöhnliches Auto für die westlichen Berge Kentuckys. Bass strich sich das Hundefutter von den Händen und schlenderte zu seinem Mobilheim. Wie alle wirklich allein lebenden Menschen liebte er Gesellschaft.
    »Sie beißen nicht«, sagte Bass von der Türschwelle aus. »Sie können ruhig aussteigen.«
    Der Fahrer, ein junger Mann in einer schneidigen neuen Livree, stieg aus und öffnete die hintere Tür der Limousine. Niemand stieg aus. Nach einer kleinen Weile wurde Bass klar, daß von ihm erwartet wurde, daß er einsteige.
    »Telefonanruf für Sie«, sagte der Fahrer.
    Bass steckte den Kopf in die Limousine. Der hintere Teil des Fahrgastraums war kühl und dunkel; es roch nach Leder und Elektronik. Es gab eine Bar und eine Kamera-Monitor-Kombination, die an den Schaltkreis eines Zellentelefons angeschlossen war. Auf dem Neun-Zoll-Bildschirm saß ein Mann hinter einem Schreibtisch vor einem großen Fenster. »Raketenmann Bass«, sagte er und erhob sich dabei mit einem breiten Lächeln und zusammengekniffenen Augen wie ein Prediger.
    Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.
    »So nennt man mich in der Gegend von Allen County eigentlich nicht«, erwiderte Bass. »Das war vor fünfundzwanzig Jahren. Was ist los, bringt die Zeitschrift People mal wieder eine ›Was-ist-aus-ihnen-geworden‹-Ausgabe heraus?«
    »Mein Name ist Markson. Ich habe gehört, daß Sie niemals in die Stadt kommen, und da Sie kein Telefon besitzen…«
    »Er hat mich für die ganze Fahrt von Nashville hierher gemietet«, sagte der Fahrer stolz. Er kniete am Boden und tollte mit den Hunden herum. Bass merkte, daß er sich mit Hunden auskannte.
    »Nun, jetzt sind Sie hier. Mehr oder weniger. Was wollen Sie? Ich bekomme mehr Geld dafür, daß ich nicht über das Raumfahrtprogramm spreche«, sagte Bass, »als Sie mir jemals geben könnten, damit ich darüber rede.«
    »Ich möchte nicht nur darüber reden«, sagte Markson. »Worte allein bringen mich nicht zum Mars.«
    »Sagten Sie Mars?«
    »Mars. Der rote Planet Mars.«
    »Ist dieses Telefon-Ding beweglich?« fragte er den Fahrer.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher