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Der Fluch der bösen Tat

Der Fluch der bösen Tat

Titel: Der Fluch der bösen Tat
Autoren: Leif Davidsen
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damit beschäftigt, mit ihren Fingern und Zehen zu spielen. Sagte zumindest ihre Mutter. Aber in diesem Sommer fiel das Einschlafen schwer, und morgens hatte sie diesen faden Nachgeschmack unerlöster Träume irgendwo in ihrem Hirn.
    Lise Carlsen drehte sich auf den Rücken und starrte an die Decke, während sie die letzten Töne eines Take-That-Songs hörte, das war dieses Jahr der unvermeidliche Sommerhit des dritten Programms. Es würde wieder ein warmer Tag werden. Die Gardine bewegte sich leicht in der warmen Brise. Ole stöhnte und drehte sich auf die Seite, mit dem Rücken zu ihr. Es gab eine Zeit, da hätte er ihre Hand ergriffen und sich an sie gekuschelt. Oder sie sich an ihn. Bei dem Gedanken, daß die einzige Erinnerung an den nächtlichen Beischlaf ein klebriges Gefühl zwischen den Beinen war, wurde sie noch deprimierter. Sie waren beide nackt. Was auch sonst bei der Hitze? Sie sehnte sich nach Regen und Kühle. Die Hitze brachte Schweiß und Geilheit mit sich, man sehnte sich nach dem nächstbesten Körper. Also war es eigentlich egal, ob die eigenen Gefühle brachlagen. Die Hitze forderte Erlösung. Brachte die Hormone dazu, Amok zu laufen. Sie ließ die Decke auf den Nabel hinabgleiten, faltete auf dem feuchten Kissen die Hände hinter dem Nacken und lauschte dem Radio, das sie geweckt hatte. Eigentlich wußte sie nicht, wieso sie jeden Morgen die Welt wieder auferstehen ließ, indem sie die Nachrichten hörte. Eigentlich wußte sie hinterher gar nicht mehr, was gesagt worden war. Nicht, bevor sie die Nachrichten eine Stunde später noch einmal hörte. Aber es gab ihr eine gewisse Sicherheit zu hören, daß ihr eigenes Elend im Vergleich zu den Schrecken, mit denen die unaufgeregte, neutrale Sprecherstimme sie allmorgendlich in die Wirklichkeit zurückholte, minimal war. Vielleicht weil Ole es haßte, von Musik und Gerede geweckt zu werden. War es in Wahrheit ihr tiefster Wunsch, ihn damit aus dem Ehebett zu vertreiben? Oder gar aus der Ehe? Sie war Journalistin, verdiente ihr eigenes Geld, konnte ihren eigenen Radiowecker kaufen, und sie hatte ihn gekauft, ihn angeschlossen, und sie benutzte ihn. Basta! Hatte sie es so gesagt? Und war es gleichzeitig ein Zeichen ihres Wankelmuts, daß sie ihn so leise gestellt hatte, daß sie kaum noch etwas hörte? Ole brauchte Kanonendonner, um zu erwachen, also störte es ihn genaugenommen gar nicht. Während sie schon bei dem geringsten Geräusch hellwach war. Jedenfalls zur Zeit, wo alle Nervenenden mit Juckpulver bestreut zu sein schienen.
    Es waren die üblichen Geschichten. Politische Spiegelfechtereien zum kommenden Haushalt, der endlose Krieg in Jugoslawien und die fortgesetzte Trockenheit. Sie hörte gar nicht hin, sie versuchte nur zu verstehen, warum sie so traurig war und warum sie es verdrängen konnte, wenn sie erst einmal geduscht hatte. Aber dann hörte sie, wie Santandas Name genannt wurde. Sie sah sie vor sich. Eine kleine, freundliche Frau mit rundem Gesicht und braunen Augen und der Gabe, von schweren, lebensbedrohlichen Themen zu sprechen, ohne daß einem übel wurde. Sie verstand nicht, wovon die Geschichte handelte. Nur daß Sara Santandas Name und der Iran erwähnt wurden. Und daß der dänische Außenminister mit schläfriger Telefonstimme bedauerte, daß der kritische Dialog mit dem Mullahregime in Teheran nicht die erwarteten Ergebnisse gebracht habe. Sie würden die Geschichte um acht noch einmal wiederholen. Wenn sie wichtig genug war. Sonst mußte sie warten, bis sie in die Redaktion kam.
    Sie stieß Ole an und stieg aus dem Bett. Er stöhnte, aber sie sah noch, daß er die Augen aufschlug, ehe sie ins Bad ging. Er roch schwach nach Alkohol.
    »Mach doch das Radio aus, zum Teufel!« hörte sie, bevor sie die Tür zumachte.
    Die Dusche half wie immer. Erst das warme Wasser, dann das kalte. Als sie erst in der geräumigen Wohnküche stand und das Licht durchs Fenster strömte und der morgendliche Verkehr von Østerbro leise im Hintergrund rauschte, vergingen ihre schwarzen Morgengedanken, wie sie das nannte. Dann vermißte sie Regen und Kühle nicht mehr. Die kamen noch früh genug nach Dänemark, wo Grau die beständigste Farbe war. Sie liebte ja die Wärme und die Sonne. Sie goß Wasser in die Kaffeemaschine, deckte den Tisch, kochte Eier, stellte den Toaster bereit und entschloß sich zum x-ten Mal, mit Ole darüber zu reden. Wenn man nicht mal mit seinem Mann über eine kleine Morgendepression reden konnte, mit wem dann? Außerdem
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