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Der Fluch der bösen Tat

Der Fluch der bösen Tat

Titel: Der Fluch der bösen Tat
Autoren: Leif Davidsen
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Ausfuhrsubventionen nach Iran ist die Stimmenmehrheit der Regierung gefährdet. Iran beharrte gestern auf dem Todesurteil gegen die Schriftstellerin Sara Santanda und erhöhte das Kopfgeld auf vier Millionen Dollar. Das Wetter: Es bleibt weiterhin sonnig und warm.
     
    Lise spürte ihre übliche Ohnmacht, ihr Magen zog sich zusammen. Wie konnten sie nur? Wie konnte es heute einen solchen Fanatismus geben? Wie konnte ihre eigene Regierung so schwach sein? Wie konnte man eine Autorin zum Tode verurteilen, nur weil sie einen Roman geschrieben hatte, der die Unterdrückung der Frauen durch diese dreckigen Priester zum Thema hatte? Erst Rushdie und jetzt Santanda. Wer war der nächste? Die westlichen Länder hatten die Verteidigung Rushdies nie ernstgenommen. Deshalb konnten die Unterdrücker mit ihrer rücksichtslosen Politik einfach weitermachen. In ihr brodelte es, aber sie hatte keine Lust, ihre Gedanken Ole mitzuteilen. Sie hatten das schon so oft durchgekaut. Er hörte interessiert zu, aber die Politik fesselte ihn nicht mehr. Weder die große noch die kleine.
    Sie sah zu ihm hinüber. Da hockte er mit seiner Berlingske Tidende und war ins Klein-Klein des dänischen Alltags vertieft. Wo war der engagierte Mann geblieben, den sie geheiratet hatte? Was war mit ihnen in all den Jahren geschehen? Konnten Liebe, Lust und Freude absterben, ohne daß man es merkte? Sie fühlte die Depression in sich heraufkriechen. Sie fürchtete sie und kämpfte dagegen an. Sie hatte Angst, eines Tages zu kapitulieren und sie zu akzeptieren. Sie wollte nicht die Flagge streichen. Sie mußte sich zusammenreißen.
    Irgend etwas mußte es zwischen ihnen aber noch geben, denn er blickte auf, als hätte er ihre chemischen Reaktionen gespürt.
    »Stimmt was nicht, Lise?« sagte er.
    Sie schob das Toastbrot von sich weg.
    »Nein, nein. Es ist nur wegen dieser Sache mit der Santanda. Das ist so eine Schweinerei.«
    »Ja. Du hast ja recht.«
    Sie seufzte und stand auf.
    »Ist das alles, was du dazu zu sagen hast? Hast du nicht gehört, was sie in den Nachrichten gesagt haben?«
    Er blickte zum Radiogerät, als wenn er es erst jetzt entdeckt hätte.
    »Ich hasse es, morgens Radio zu hören, das weißt du doch. Du bestehst auf Hintergrundgeräuschen, also habe ich mir angewöhnt, mich abzuschotten. Zu verdrängen … Ich höre ihr Gequassel oder diese elende Musik einfach nicht mehr. Das ist ein einziger Brei für mich. Nichts anderes. Ich lese lieber meine Zeitung. Ich kann nicht zwei Sachen auf einmal machen.«
    »Schon gut.«
    »Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?«
    »Ich bin schon weg, Ole. Schönen Tag noch!«
    Sie versuchte ironisch zu klingen, aber entweder merkte er es nicht, oder er wollte es überhören.
    »Dir auch, mein Schatz«, sagte er bloß.
    Die Sonne hob ihre Stimmung ein wenig. Der Sommer nahm kein Ende. Das Wetter war einfach schön und warm, und Kopenhagen hatte wie eine südländische Hafenstadt gekocht und geblubbert. Lise liebte ihre Stadt, wie es nur ein Zugereister tut. Sie war als junge Praktikantin zur Politiken gekommen, und sie würde in ihrer Wohnung in Østerbro bleiben, bis man sie mit dem Kopf zuerst hinaustrüge. Sie ist nie wieder in eine Kleinstadt oder einen Vorort gezogen. Sie holte ihr schickes rotes Fahrrad mit den vielen Gängen, mit dem sie sich im Frühling selbst verwöhnt hatte, und fuhr mit erhobenem Kopf los. Sie merkte, daß sie ein, zwei Blicke auf sich zog. Sie wußte, daß sie auf dem Rad eine gute Figur machte. Nicht schlecht, von den jungen Männern solche Blicke zugeworfen zu bekommen, wenn man Mitte Dreißig ist, dachte sie. Dem Sommer sei Dank. Der versetzte die Leute einfach in bessere Laune. Jede Umdrehung der Pedale war eine Erleichterung. Mit jedem Luftzug, der sich in ihrem Rock verfing, stieg ihre Stimmung. Es würde schon gehen. Auch mit ihr und Ole. Sonst müßten sie versuchen, eine Weile getrennt zu wohnen. Das mußte ja keine Katastrophe sein. Nur eine Pause. Dann würde er vielleicht herausfinden, daß er ohne sie nicht leben konnte. Oder sie nicht ohne ihn. Sie wollte nicht länger daran denken. Sie mußten es einfach schaffen, die Sache mal in Ruhe zu besprechen.
    Sie nahm nicht die kürzeste Strecke zum Rathausplatz, sondern machte einen Umweg über den Fadledpark und den Sankt Hans Torv, den sie nach seiner Renovierung bezaubernd fand. Und dann weiter an den Seen entlang. Das Durcheinander auf dem Rathausplatz wollte sie sich nicht antun. Diesmal hatte die Stadt ihn
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