Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch der bösen Tat

Der Fluch der bösen Tat

Titel: Der Fluch der bösen Tat
Autoren: Leif Davidsen
Vom Netzwerk:
vorbei. Die nackten braunen Arme und die Beine in kurzen Hosen waren auch heute wieder vorherrschend.
    »Warum wir? Warum Dänemark?« sagte sie dann.
    Tagesen fing an, einen Zettel in Fetzen zu reißen.
    »Dänemark ist ein friedliches Land. Wir haben keinen Terrorismus.«
    »Wir sind nicht sehr groß.«
    »Die Geschichte hier wird trotzdem um die Welt gehen.«
    »Aber warum Politiken? «
    »Also, in aller Bescheidenheit, für Rushdie haben wir eine Menge getan. Ich habe. Für die Kurden. Wir sind eine aktivistische Zeitung. Außerdem habe ich Sara Santanda durch gewisse Beziehungen mehrmals getroffen … und du hast sie ja ein paar Mal interviewt. Sie hat sich an dich erinnert. Und dann ist da noch die Kleinigkeit, daß du die Vorsitzende des dänischen PEN bist. Der arrangiert das und wir. Aber vor allem wir, nicht? Sie freut sich, dich wiederzusehen.«
    »Wo ist sie jetzt? Hat sie England verlassen?«
    »Sie versteckt sich immer noch irgendwo in London. Sie hat die Nase voll, wie im Gefängnis zu leben. Sie will in die Freiheit. Sie möchte auch gern ein paar bürgerliche Worte zum sogenannten kritischen Dialog mit Iran sagen, den unsere Regierung da unten in Brüssel pusht.«
    »Keine Ansprachen, Tagesen«, sagte sie.
    »Nein, das kommt später«, sagte er zufrieden.
    »Wann kommt sie?«
    »In einem knappen Monat.«
    Lise setzte sich wieder. Sie konnte sich die Komplikationen vorstellen. Für die Vorbereitung war nicht lange Zeit. Es gab zwei Dinge zu bedenken. Tagesen und wahrscheinlich auch Sara wünschten größtmögliche Öffentlichkeit. Das war an und für sich der Sinn und Zweck ihres Entschlusses, aus ihrem Versteck zu kommen. Die Sicherheitsleute vom Polizeilichen Nachrichtendienst und von der Kopenhagener Polizei würden größtmögliche Geheimhaltung und Isolation verlangen. Das würde ihre Arbeit erleichtern. Sie kannte sie noch vom Rushdie-Besuch. Sie waren steif, aber sehr professionell. Und sie wollten nichts riskieren. Sie nahmen ihre Arbeit sehr ernst. Sie benutzten seltsame Wörter. Statt eine konspirative Wohnung, die sie KW abkürzten, auszukundschaften oder als mögliches Versteck zu prüfen, sagten sie, sie wollten das Terrain beschnüffeln. Sie würden sicher mit dem größten Vergnügen sowohl die Vertreter des PEN als auch andere Autoren oder Journalisten, die mit dem Besuch zu tun hatten, herumkommandieren. Da wären einige Konflikte vorprogrammiert. Aber Lise mußte widerstrebend zugeben, daß sie am längeren Hebel saßen. Es war schwer, dagegen zu argumentieren, daß das, was sie sagten, über Leben und Tod entscheiden konnte, aber sie mochte die Art und Weise nicht, in der sie es sagten.
    »Hast du mit dem PND gesprochen?« fragte sie.
    »Ja, er will, daß wir die Sache geheimhalten, bis sie ihre erste Pressekonferenz gibt. Dann lassen wir die Bombe hochgehen …«
    »Bist du darauf eingegangen?«
    »Ich fand das fair. Wir haben die Geschichte immer noch exklusiv.«
    »Okay.«
    »Ich hab heute nachmittag für dich einen Termin mit dem Sicherheitsoffizier vereinbart, der sich der Sache annimmt. Er heißt Per Toftlund. Sie sagen, er sei gut. In deinem Alter. Sprich mit ihm. Work something out! Die Geschichte gehört dir.«
    »Yes, sir«, sagte sie mit gespielter Ergebenheit.
    »Ich habe auch Svendsen im Staatsministerium informiert, aber im übrigen bleibt die Sache unter uns, nicht wahr, Lise?«
    »Selbstredend.«
    »Okay … grüß Ole, ja?«
    »Ja«, sagte sie, aber sie wußte, daß Tagesen gedanklich schon bei der nächsten Sache war. Es wäre vergebliche Liebesmüh, ihm erklären zu wollen, wie es mit ihr und Ole stand. Im Grunde war Tagesen auch gar nicht daran interessiert. Er interessierte sich für Ideen und die Zeitung, nicht für Menschen. Vielleicht war das ein bißchen zu hart, dachte sie. Aber er kriegte nun mal gern den abwesenden Blick, wenn man zu persönlich wurde. Ein Freund war er wohl trotzdem irgendwie. Aber jetzt hatte er eine Story in Gang gesetzt und ging davon aus, sie werde sie zu Ende führen und nur dann zu ihm kommen, wenn es Probleme gäbe. Er vertraute ihr. Diese Art Chef mochte sie, andere Chefs wollten den ganzen Fall über gepflegt und gehätschelt werden. Nurses, wie das mit einem der Anglizismen genannt wurde, die im dänischen Journalistenmilieu so gang und gäbe waren. Sie wollte es lieber allein machen.

3
    KRIMINALKOMMISSAR Per Toftlund hatte einen Kater. Der machte sich meistens im Nacken bemerkbar. Und im Rachen, der zerkratzt war wie eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher