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Der Fluch der bösen Tat

Der Fluch der bösen Tat

Titel: Der Fluch der bösen Tat
Autoren: Leif Davidsen
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von Draskuvic befand sich eine Gruppe, die eventuell gefährlich werden konnte. Es waren drei kroatische Soldaten, aber sie trugen keine sichtbaren Waffen und waren reichlich betrunken. Wahrscheinlich hatten sie schon die ganze Nacht getrunken und würden den Tag über weitertrinken. Grölend stritten sie sich darum, wer die nächste Flasche Sliwowitz ausgeben durfte. In der letzten Viertelstunde hatten sie mit ihren Heldentaten auf dem Feldzug in der Krajina geprahlt. Unter ihren Schüssen waren die serbischen Hunde umgefallen wie die Kegel.
    Auf der kleinen Nebenstraße herrschte spärlicher Verkehr. Ein grauschlieriger alter Mercedes fuhr langsam vorbei und zog eine Fahne unverbrannten Diesels hinter sich her. Ein älteres Ehepaar mit leerem Einkaufsnetz ging am Bordstein entlang. Eine Mutter schimpfte mit ihrem Kind und schleifte das protestierende Kerlchen hinter sich her.
    Vuk holte dreimal tief Luft und dachte an das Wort des Kommandanten: Sei nie theatralisch. Überlaß das den Filmschauspielern. Schnell rein. Schnell raus. Denke an nichts anderes als ans Überleben.
    Er schwang sein Bein über das Motorrad. Die Gummisohlen seiner Reeboks gaben keinen Laut von sich, als er die schmale Fahrbahn mit ein paar Schritten überquerte und die Pistole aus dem Schulterholster zog und mit einer langgezogenen, disziplinierten Bewegung entsicherte. Draskuvic blickte auf und konnte vielleicht Vuks Gesicht hinter dem rauchfarbenen Visier erahnen, aber wer weiß das schon? Vuk schoß ihm zweimal ins Gesicht und einmal in die Brust. Draskuvic kippte hintenüber. Die Zigarre fiel ihm aus dem Mund und auf seine Jacke. Noch ehe Draskuvic auf den Boden prallte, war Vuk mit ruhigen, aber langen Schritten zu dem Motorrad zurückgegangen. Er behielt die Pistole nicht in der Hand, sondern ließ sie auf den Asphalt gleiten, als er sich auf das Motorrad schwang. Es gab genug Pistolen im Lande. Wenn er sie fallen ließ, statt sie im Holster unterzubringen, gewann er eine Sekunde. Die wenigen Menschen, die überhaupt reagierten, blickten auf Draskuvic, nicht auf Vuk. Ihre Augen hefteten sich auf das Blut, das sich auf den Tisch ergoß und auf den Boden tropfte, ehe sich die Kriegserprobten auf die Erde warfen und zu schreien anfingen. Da legte Vuk schon den ersten Gang ein und bog um die Ecke.
    Ein brauner Lederrücken und ein Paar Jeans auf einem Motorrad. Wahrscheinlich ein japanisches. Es sah alt aus, aber wahrscheinlich weil es so dreckig und verschlammt war. Das war das einzige, woran sich die Zeugen erinnern konnten. In Wirklichkeit war es sogar ziemlich neu, erst wenige Tage zuvor war es einem berüchtigten Schmuggler gestohlen worden, der sich unten am Hafen von Split herumtrieb und noch überlegte, ob er den Diebstahl melden sollte, schließlich hatte er das Motorrad ohne Wissen der zuständigen Behörden über die Grenze geschafft.
    Vuk schwenkte auf die Hauptstraße und fuhr schnell, aber nicht leichtsinnig, einige hundert Meter weiter. Er hielt vor einem Supermarkt und setzte den Helm ab. Er hängte den Helm an den Lenker und fischte eine kleine stupsnasige Smith and Wesson aus der Seitentasche des Motorrads, stopfte sie in seine Lederjacke und ging den Bürgersteig hinunter, ohne sich umzudrehen, während er die Jacke auszog und sie leger über die Schulter warf, den Finger im Aufhänger. Die Handschuhe hatte er in die andere Tasche gesteckt. Er hatte schwarzes Haar. Die Passanten sahen einen jungen Mann, der mit seinem schwarzen Haar und dem dunklen buschigen Schnurrbart wie tausend andere aussah. Er war gut gebaut. Nur die klaren blauen Augen unterschieden ihn von anderen jungen Männern und verleiteten ein paar Frauen dazu, mehr als einen Blick auf ihn zu werfen. Er bog in eine Nebenstraße, schloß einen braunroten Lada auf und fuhr davon.
    Dort verlor die kroatische Polizei seine Spur. Niemand erinnerte sich an das Kennzeichen, und die Beschreibungen des Täters waren so verschiedenartig, daß es der Polizei unmöglich war, eine Phantomzeichnung anzufertigen. Der Mörder hatte sich in Luft aufgelöst. Oder im Kriegschaos.
    Der junge Mann, der sich Vuk nannte, fuhr in südöstliche Richtung nach Slawonien. Er fuhr ruhig und sicher. Der Verkehr war dünn. Die kleinen Dörfer lagen im gelben Glanz des Spätsommerlichts. In den roten Schindeln der Dächer klafften schwarze Löcher von Granatentreffern. Der Wind verfing sich in den weißen Gardinen und wehte sie durch die zerbrochenen Scheiben hinaus. Es waren nur wenige
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