Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gezinkt

Gezinkt

Titel: Gezinkt
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
Vorwort
    Von Zeit zu Zeit tue ich etwas, das noch beängstigender ist, als kranke und verdrehte Geschichten und Romane zu schreiben: Ich schnappe mir ein Mikrofon und stelle mich in einen Raum voller Menschen.
    Nein, ich spreche nicht von American Idol; es geht darum, dass ich Schreiben unterrichte.
    Eine der am häufigsten gestellten Fragen, wenn ich Professor spiele, ist folgende: Soll ich damit anfangen, Kurzgeschichten zu schreiben, und mich dann zu Romanen hocharbeiten? Meine Antwort lautet: Nein. Es ist nicht so, als würde man mit Dreiradfahren beginnen und allmählich zu einem Fahrrad aufsteigen. Verzeihen Sie meinen unbeholfenen Metaphernmix, aber Romane und Kurzgeschichten sind nicht einmal wie Äpfel und Birnen; sie sind wie Äpfel und Kartoffeln.
    Romane wollen den Leser auf allen Ebenen emotional gefangen nehmen, und um dieses Ziel zu erreichen, muss der Autor seine Figuren ausführlich und in die Tiefe gehend entwickeln, er muss realistische Szenarien erschaffen, umfangreiche Recherchen betreiben und ein strukturiertes Erzähltempo einschlagen, das zwischen nachdenklichen und aufregenden Passagen wechselt.
    Eine Kurzgeschichte ist anders. Wie ich in der Einleitung zu meiner ersten Sammlung von Geschichten schrieb, liegt der Witz bei einer Kurzgeschichte nicht in einer Achterbahnfahrt voller überraschender Wendungen, mit Figuren, über die der Leser mit der Zeit einiges erfahren hat und die er liebt oder hasst; es geht auch nicht um spezielle Schauplätze mit sorgfältig beschriebener Atmosphäre. Kurzgeschichten sind wie die Kugeln eines Heckenschützen. Schnell und vernichtend. In solch einer Geschichte kann man aus dem Guten Böses und aus dem Bösen noch Böseres machen, und was am meisten Spaß macht: aus wirklich Gutem wirklich Böses.
    Für mich ist es das überraschte »O mein Gott«, worauf es bei Kurzgeschichten ankommt. Vor ein paar Jahren schrieb ich ein Buch über einen psychotischen Zauberkünstler [»Der faule Henker«], und ich erkannte, dass das Buch in gewisser Weise von mir handelte (als Autor, wie ich rasch anfügen darf, nicht als Psychopath oder Zauberer). Bei der Recherche zu dem Buch lernte ich viel über Fingerfertigkeit, Irreführung, Ablenkung und Illusion, und mir wurde klar, dass ich mich seit Jahren genau solcher Tricks bedient hatte, um meine Leser einzulullen und sie dann – peng – aufzuschrecken, wenn sie es am wenigsten erwarten.
    Während sie meine linke Hand beobachten, holt die rechte zum Schlag aus.
    Seit jene erste Sammlung 2003 veröffentlicht wurde, habe ich mir weiter schuldbewusst das Vergnügen gemacht, hin und wieder ein, zwei Tage freizunehmen, um weitere Geschichten zu schreiben, die allesamt dieser oben beschriebenen Philosophie anhängen: Alle Moral und alles Gefühl über Bord zu werfen, um auf die Wendung hinzuarbeiten, die einem das Blut gerinnen lässt.
    Wie in meiner ersten Sammlung finden Sie auch in dieser Geschichten der unterschiedlichsten Art, die alle meine Lieblingsthemen zum Inhalt haben: Rache, Wollust, Psychosen, Verrat und Gier, zusammen mit einer (wenn man so sagen darf) gesunden Dosis an zerrütteten Familienverhältnissen. Eine Geschichte spielt in Italien, eine andere im viktorianischen England. Eine hat einen aalglatten Anwalt in einer kleinen Stadt zum Helden, und eine andere entdeckt leichtgläubige Touristen in einer großen. Sie sehen Voyeure, ruchlose Mörder, meine Version des Da Vinci Code und sogar eine Geschichte über einen – wer hätte es gedacht – Krimiautor.
    Und für alle, die gern einen Einblick in handwerkliche Kniffe gewinnen möchten, habe ich ein kurzes Nachwort zu einer der Geschichten (»Angst«) in den Band mit aufgenommen, das illustriert, wie ich die Idee der Angst in meine Geschichten einbaue. Ich habe es ans Ende gesetzt, um keine Überraschungen zu verraten.
    Zu guter Letzt ein Wort des Dankes an alle, die mich ermutigt haben, diese Geschichten zu schreiben, vor allem an Janet Hutchins und ihr unschätzbares Ellery Queens Mystery Magazine, an Marty Greenburg, Otto Penzler, Deborah Schneider, David Rosenthal, Marysue Rucci und, wie immer, Madelyn Warcholik.
    Also, lehnen Sie sich zurück, und genießen Sie das Buch – und schauen Sie, ob Sie schlauer sind als ich. Lassen Sie meine rechte Hand nicht aus dem Auge.
    Oder war es die linke?

Kapitel und Vers
    »Reverend... Darf ich Sie ›Reverend‹ nennen?«
    Der rundliche Mann mittleren Alters mit dem Priesterkragen lächelte. »Das geht schon in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher