Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Feind in deiner Nähe

Titel: Der Feind in deiner Nähe
Autoren: Nicci French
Vom Netzwerk:
Geliebter fehlt. Mein wildes, hin und her schwingendes Ich. Die pechschwarze Dunkelheit, in der Dämonen lauerten, und das herrliche Licht. Das Fallen und das Fliegen. Natürlich schlug ich oft hart auf dem Boden auf, aber dann schwang ich mich wieder hoch hinauf, bis ich so glücklich und frei war, dass ich am liebsten vor Freude gestorben wäre.
    Die Welt gehörte mir und ich ihr.
    Aber es wird besser, das alles fehlt mir nicht mehr ganz so sehr. Am Anfang legte ich mir derart enge Fesseln an, dass ich fast keine Luft mehr bekam. Ich stand immer zur gleichen Zeit auf, ging zur gleichen Zeit in die Arbeit, kam zur genau gleichen Zeit nach Hause. Ich ernährte mich gesund und ging früh ins Bett. Ich ließ meine Lieblingssachen im Schrank, flirtete nicht, tanzte nicht, trank keinen Alkohol, kicherte nicht, schrie nicht, streunte nicht herum. Nun habe ich angefangen, mich ganz langsam, Stück für Stück, von der Leine zu lassen.
    Heute fühle ich mich gut, ich fühle mich großartig, fast wie in den alten Tagen, als eine herrliche, unbezwingbare Energie durch meinen Körper pulsierte, sodass ich ständig das Gefühl hatte, gleich vom Boden abzuheben. Mein Blick fällt auf Megs liebes, hübsches Gesicht. Sie ist glücklich. Kein Mensch hat dieses Glück mehr verdient als Meg, bei der immer das Glück anderer Leute an erster Stelle steht. Ich hoffe, Todd vergisst nie, was für ein Glückspilz er ist. Ebenso hoffe ich, dass ich selbst nie vergesse, was für ein Glückspilz ich bin.
    Ich war immer der Meinung, letztendlich ganz auf mich allein gestellt zu sein – genau wie jeder andere auf dieser Welt. Das ist ein Teil unseres Menschseins. Unser ganzes Leben lang sind wir auf der Suche nach Liebe und Nähe, nach bedingungsloser Treue und Anerkennung. Wir suchen das alles bei unseren Eltern, Freunden, Partnern. Wir machen einander Verspre-chungen und glauben daran oder tun zumindest so, als würden wir daran glauben. Wir klammern uns an die Hoffnung, dass wir nicht allein sind. Und doch ist in Krisen und Momenten der Verzweiflung der einzige Mensch, der einen retten kann, man selbst. Kein anderer kann einem das abnehmen. Zumindest war ich immer dieser Meinung, und in gewisser Weise bin ich es noch, aber als ich hilflos dalag und mich selbst aufgegeben hatte, war wie durch ein Wunder plötzlich Meg da. Sie glaubte an mich, als ich den Glauben an mich längst verloren hatte, und half mir weiterzuleben, als ich bereit war zu sterben. Wenn ich meine Dämonen auf die eine Seite der Waage lege und Meg auf die andere, hat Meg viel mehr Gewicht als sie alle zusammen.
    Das meine ich, wenn ich sage, dass ich ein Glückspilz bin.

    Das Fest neigt sich seinem Ende zu. Die Leute sprechen schon darüber, allmählich aufzubrechen. Ich werfe einen Blick auf die Uhr und sehe, dass es Mitternacht ist, also fast an der Zeit. Ich schiebe mich zwischen den Leuten hindurch und gehe ins Haus, um das Päckchen zu holen, das ich im Gästezimmer unter den Mänteln versteckt habe.
    In meinen Hals beginnt ein Gefühl von Freude hochzublub-bern. Ich kenne dieses Gefühl. Mir ist klar, dass ich im Begriff bin, etwas Dummes zu tun.
    Sie haben mich fast zweihundert Pfund gekostet. Der Mann, bei dem ich sie gekauft habe, war ein bisschen überrascht und riet mir, die Gebrauchsanweisung aufmerksam zu lesen, und eine Frau, die gerade ein paar Wunderkerzen kaufte, regte sich richtig auf. Sie fragte mich, wie ich so viel Geld für etwas ausgeben könne, das vorbei sei, ehe man bis zehn gezählt und von dem man überhaupt nichts Bleibendes habe. Aber begriff sie denn nicht, dass genau das der Punkt war? Tage oder gar Wochen zu arbeiten und es dann in einem einzigen, überwälti-genden Moment in die Luft zu schießen.
    Ich schleiche mich wieder in den Garten hinaus. In der Küche lehnt sich Meg gerade an Todd, und er flüstert ihr etwas ins Ohr. Sie bemerken mich nicht. Auf der Verpackung steht, dass sich in einem Umkreis von achtzig Metern keine Leute aufhalten sollten. Lächerlich. Achtzig Meter, da müsste ich ja noch durch das nächste Haus und über die Straße. Ich gehe bis ans hintere Ende des Gartens, das muss reichen. Es wird schon klappen.
    Hoffe ich.
    Bei der ersten klappt es noch nicht so richtig. Der Stock, an dem sie befestigt ist, kippt im letzten Moment zur Seite, sodass sie in einem falschen Winkel in Richtung Haus davonschießt. Ich habe das ungute Gefühl, dass sie durch ein Fenster geflogen ist.
    Ich höre hinter mir Rufe und Schreie, sehe
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher