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Der Feind in deiner Nähe

Titel: Der Feind in deiner Nähe
Autoren: Nicci French
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mir seine Exfreundin vorstellte, war ich zuerst ein bisschen irritiert, weil sie fast eins achtzig groß war und sich dann auch noch als ziemlich nett entpuppte, aber zum Glück wurde mein angekratztes Ego dadurch entschädigt, dass ihr neuer Freund definitiv weniger attraktiv war als Todd. Aber das sind die Geschichten anderer Leute, und das hier ist immer noch die von Holly.
    Ich möchte auf keinen Fall den Eindruck erwecken, als hätte ich mir ihretwegen ständig Sorgen machen müssen, denn das war nicht der Fall. Ihr Wiedereinstieg in das Berufsleben hatte großen Mut erfordert. Sie musste wieder ganz unten in der Talsohle beginnen und den Berg diesmal mit Betonstiefeln erklimmen. Der Schaden, den sie angerichtet hatte, war doch recht beträchtlich gewesen. Einige Kunden kamen zurück, andere jedoch nicht, sodass wir gezwungen waren, uns neue zu suchen. Aber selbst unter diesen gab es einige, denen seltsame Gerüchte zu Ohren gekommen waren. Jedenfalls hatte sie es tatsächlich geschafft. Hatte die Ärmel hochgekrempelt und sich an die schrecklich mühselige Arbeit gemacht, KS Associates wieder auf Vordermann zu bringen.
    Die zweite Runde verlief zwangsläufig etwas anders als die erste. Die Atmosphäre der Improvisation gab es nicht mehr, ebenso wenig wie die Sechsunddreißig-Stunden-Partys. Natürlich hatten wir auch nicht mehr dieses prickelnde Gefühl, ohne Netz auf einem Hochseil zu balancieren. Vieles davon war verloren gegangen, aber das war wohl auch nötig gewesen. Das macht den Unterschied aus zwischen betrunken und nüchtern, zwischen manisch und normal, zwischen jungen, unerfahrenen Frauen und etwas älteren, die ihre Lektion gelernt hatten.
    Trotzdem hatte ich manchmal ein ungutes Gefühl, wenn ich an Holly und unser Fest dachte, und sei es auch nur, weil die letzte Hochzeitsfeier, die ich mit ihr zusammen erlebt hatte, ihre eigene gewesen war. Sobald ich sie sah, ging es mir besser. Die alte Regel, dass man die Braut nicht in den Schatten stellen durfte, galt anscheinend nicht mehr, sobald die eigentliche Trauungszeremonie vorüber war. Holly trug ihr Haar jetzt offen, sodass es ihr bis über die Schultern reichte, und hatte ein freches scharlachrotes Kleid an. Sie wankte mit einer riesigen, aufwändig verpackten und mit Schleifen geschmückten Schachtel herein. Ich bestand darauf, sie auf der Stelle auszupacken. Sie enthielt einen Globus. »Damit ihr euch schon mal überlegen könnt, wo ihr überall hinreisen wollt«, erklärte Holly.
    Todd nahm sie in den Arm. »Ich liebe diese Dinger«, sagte er und drehte den Globus wie ein kleiner Junge. »Sieh mal, Meg.
    Hast du gewusst, dass New York auf demselben Breitengrad liegt wie Rom?«
    »Nein, das ist mir neu«, antwortete ich glücklich.
    »Es kann nicht schaden, wenn man von Zeit zu Zeit daran erinnert wird, dass die Erde eine Kugel ist«, meinte Holly.
    Todd verschwand mit dem Globus, um einen Ehrenplatz für ihn zu suchen. Holly umarmte mich und sah mich dann lächelnd an. »Ich glaube, ich hab’s geschafft«, sagte sie. »Und das habe ich zu neunundneunzig Prozent dir zu verdanken.«
    »Neun Prozent trifft es wohl eher.«
    »Über die Einzelheiten können wir noch verhandeln«, lachte sie.
    »Dafür sind Freunde doch da.«
    Holly schüttelte den Kopf. »Ich glaube, die meisten Leute sehen das nicht so.« Sie drückte meine Hand. »Ach übrigens, Charlie lässt dich herzlich grüßen.«
    »Das ist nicht dein Ernst!«, sagte ich.
    »Er schreibt mir«, antwortete Holly. »Ich werfe einen kurzen Blick auf seine Briefe, bevor ich sie an meinen Anwalt weiter-gebe.«
    »Wieso lassen sie das zu?«
    »Ich überlege immer noch, ob das alles nicht meine Schuld war, und in gewisser Weise war es das natürlich auch. Ich glaube, ich habe mich in eine Phantasiegestalt verliebt und Charlie dann weiß Gott die Hölle auf Erden bereitet. Er muss das Gefühl gehabt haben, in einen Alptraum geraten zu sein. Ich habe sein Leben zerstört. Hätte er mich nicht kennen gelernt, wäre er immer noch ein freier, anständiger Mann. Ich habe ihn so weit gebracht, dass er am Ende sogar zu einem Mord fähig war.« Sie blickte sich um. Gerade trafen weitere Gäste ein. »Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt«, meinte sie. »Aber eines muss ich dir noch schnell erzählen, etwas, das mir mein Anwalt gesagt hat. Du erinnerst dich doch an Charlies Plan? Er bringt mich um, es sieht wie ein Selbstmord aus, mit der einen Lebensversicherung zahlt er die Hypothek ab, eine weitere
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