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Der erste Tod der Cass McBride

Der erste Tod der Cass McBride

Titel: Der erste Tod der Cass McBride
Autoren: Gail Giles
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ab und föhnte mir die Haare, bis sie trocken genug waren, um in meinen Schlafanzug zu schlüpfen. Ich hob die Decke an und kuschelte mich in mein Bett.
    Dann beobachtete ich das Schattenspiel meiner Finger im Schein der Nachttischlampe. Hübsch. Pillen machen die simpelsten Dinge so unterhaltsam. Ich schaltete das Licht aus und ließ mich von den Drogen einlullen. Tiefe Atemzüge. Keine Träume, Cass. Keine Bäume. Keine Stricke. Keine Zettel. Keine Jungs mit großen Ohren. Nichts.

BEN
    Um zehn Uhr fünfzehn am Samstagmorgen riss der Lieutenant in der Polizeidienststelle eine Seite aus seinem Notizbuch und knallte sie auf Ben Grays Schreibtisch. »Eventuell vermisste Jugendliche in Sterling Meadows. Roger Oakley als Erster vor Ort. Meint, wir müssten uns das ansehen.«
    »Wie alt?«, fragte Ben.
    »Laut Roger siebzehn. Aber seiner Meinung nach deutet alles darauf hin, dass hier nicht jemand nur eine wilde Party gefeiert hat und zu betrunken für den Heimweg war.«
    Ben nickte. »Dann los. Schick die Spurensicherung hin. Roger ist ein guter Mann. Er würde uns nicht ohne Grund rufen.«
    »Jep. Er sagt, er ist sich ziemlich sicher, dass sie aus dem Haus entführt wurde.«
    Bens linke Augenbraue zuckte nach oben. Er schnappte sich seine Jacke, die über der Stuhllehne hing, und rief seinem Partner zu: »Auf geht’s, Scott. Dann lass uns mal herausfinden, was da passiert ist mit...« - er warf einen schnellen Blick auf den Notizzettel - »Cass McBride.«

KYLE
    »Hast du im Gewächshaus alles vorbereitet, bevor du sie hingebracht hast?«, fragte mich der große Cop und wirkte perplex. Ich war müde. Die Sache hier würde ewig dauern, wenn der Cop total beschränkt war. Aber vielleicht war er auch gerade dabei, mir Vorsatz nachzuweisen.
    »Natürlich. Alles war vor der Beerdigung fertig. Die Pumpe, die Kiste, alles.« Die Cops tauschten Blicke. Gut. Als ob so eine Tat mal eben nebenher ausgeführt werden könnte.
    »Erzähl weiter. Ist sie in deinem Pick-up aufgewacht oder wo?«
    Die Frage kam von dem jungen Cop.
    »Es hat Ewigkeiten gedauert, bis sie aufwachte. Ich hab mir Sorgen gemacht: Ihr Atmen war so ...« Ich hielt inne. »Ich musste mein Ohr an ihre Brust legen, um zu hören, ob ihr Herz schlägt. Ich wusste nicht viel über das Medikament, das ich ihr gegeben habe. Und sie war total schlaff.«
    Meine Gedanken schweiften ab und ich fragte mich, ob David wohl schlaff gewesen war, als sie ihn von dem Baum herunterholten.
    »Ich kann nicht.«
    »Klar, kannst du das, David. Achtjährige Jungs machen so was. Es wird Zeit, dass du auf den Baum kletterst.«
    »Aber der ist zu schwierig. Er hat keine niedrigen Äste. Ich komme da nicht hoch.«
    »Das ist doch gerade der Spaß an der Sache. Du musst dir immer hohe Ziele setzen, dir etwas raus suchen, was ganz knapp außer Reichweite liegt. Es macht keinen Spaß, wenn es zu einfach ist«, erwiderte ich. Ich beugte mich zu ihm hinunter. »Schau mal, so musst du es machen: Du stellst es dir erst in Gedan ken vor. Dann nimmst du Anlauf und rennst auf den Baum zu. Tritt mit dem linken Fuß gegen den Baum, dann mit dem rechten, als würdest du den Baum stamm nach oben laufen, dann spring in Richtung Ast. Er wird über deinem Kopf sein, aber du hast Schwung. Von da an kannst du ganz leicht von einem Ast zum nächsten klettern.«
    Ich blickte auf den Tisch, grub meine Nägel wieder in die Daumen. Bleib im Jetzt, befahl ich mir selbst. Nicht jetzt schon durchdrehen. Du kannst für deine Mitschuld an dem Ganzen später bezahlen. Konzentrier dich wieder auf die Kamera.
    »Etwas Mondlicht fiel in das Gewächshaus«, fuhr ich fort, »aber ich hatte auch eine Taschenlampe dabei, und als ich sie auf den Boden legte, hatte die Szene etwas Surreales. Einem Film-Noir- Regisseur wäre einer dabei abgegangen.« Ich sah, wie der junge, schnöselige Cop irgendwie die Augen verdrehte.
    »Glaubst du vielleicht, ich wüsste nicht, was ein Film Noir ist?«, blaffte ich ihn an. »Meinst du, ich bin ein Neandertaler mit einem walnussgroßen Hirn? Leb mal eine Zeit lang mein Leben, dann verstehst du, was noir wirklich bedeutet. Ich lese übrigens auch. Bücher ohne Bilder. Mit langen Worten. Was ist mit dir, stehst du immer noch auf so Softpornoheftchen wie Maxim?«
    Der große Cop deutete ein Kopfschütteln an, ein Zeichen für mich, bei der Sache zu bleiben, und für den schnöseligen Cop, es auf sich beruhen zu lassen.
    »Wie gesagt. Es war surreal. Das Mädchen lag da im Mondlicht wie eine
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