Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der erste Tod der Cass McBride

Der erste Tod der Cass McBride

Titel: Der erste Tod der Cass McBride
Autoren: Gail Giles
Vom Netzwerk:
von einem offenen Fenster. Ein dumpfes Klopfen.
    Meine Gedanken waren unkoordiniert, aber das war kein Traum. Ich lag weder in meinem Bett noch in einem Krankenhaus. Angst legte sich wie eine Klammer um mich. Mein Magen rebellierte. Und ich dachte, so musste es sich wohl anfühlen, wenn man im Alter einen Herzinfarkt bekam. Denn mein Herz krampfte sich gerade zusammen. Es verkrampfte zu einem harten Knoten und brannte. Ich spürte, wie es sich wieder entspannte. Ich japste nach Luft, Tränen stiegen mir in die Augen, während ich von einem Schluchzen und Schüttelfrost gepackt wurde.
    Ich fühlte mich kühl. Ich fror nicht. Ja, doch, kühl war das richtige Wort - wie ein Glas, das man aus dem Kühlschrank holte, so feucht und kühl und ...
    Der Geruch. Er war schleichend in meine Wahrnehmung gekrochen. Nicht nur der von Urin. Irgendwie klamm und ... erdig.
    Wo war ich? Warum? Ich war in irgendetwas Kleinem und Dunklem und Feuchtem gefangen und ...
    Ich sog Luft ein und schrie.
    Ich schrie, bis meine Blutgefäße im Gesicht und Nacken zu platzen schienen. Ich schrie, bis meine Kehle sich wie zerrissen, zerfetzt anfühlte. Und ich schlug und trat um mich, bis meine Hände, Fersen und Zehen wahrscheinlich ebenso zerfetzt waren wie meine Kehle.
    Du schreist, wenn du willst, dass jemand kommt. Jemand kam.
    Oh lieber Gott. Jemand kam.

 
BEN
    Ben Gray war nicht grau, er war schwarz. Der Scherz zu seinem Nachnamen begleitete ihn. Auch wenn er ihn leid war. Er hatte in seiner Jugend ein Basketball-Stipendium erhalten, aber für eine Profikarriere hatte das Talent nicht gereicht. Ben liebte seinen Beruf, doch er verstand es, ihn nicht zum Lebensinhalt zu machen. Sein Partner war noch nicht so weit. Scott Michaels’ Polizeimarke glänzte nagelneu und seine Energie war ermüdend. Herrgott noch mal, er trug eine Igelfrisur, sah aus wie ein Surfer und benahm sich wie ein Cockerspaniel auf Speed.
    »Roger Oakley vermasselt nie etwas«, erklärte Ben. »Wenn die Familie im Haus nichts durcheinandergebracht hat, haben wir gute Karten, verwertbare Spuren zu finden.«
    »Du glaubst, wir haben einen Amber Alert, einen Fall von Kidnapping?«
    Ben seufzte. »Wir betreiben keine Ratespielchen.«
    »Ich weiß, aber das wäre mein erster Amber.«
    »Scott«, sagte Ben warnend.
    »Schon gut, ich weiß. Sprich nicht mehr von Kidnapping.«
    Das Wohnviertel, in dem Cass McBride lebte, war umzäunt, aber es gab keinen Wachmann. Ben tippte den Code ein, den Roger ihm gegeben hatte, und das Tor öffnete sich. Als sein rattenbrauner Ford Crown Victoria langsam durch die Einfahrt kroch, bemerkte Ben, dass ein anderer Wagen sich dicht an sein Heck geheftet hatte und hinter ihm hindurchrollte. Na schön, die Umzäunung war besser als gar keine Sicherheitsvorkehrungen, aber nicht wirklich viel wert, dachte er bei sich.
    Ein Mann in Pyjamahose und T-Shirt, dessen Haare zerzaust vom Kopf abstanden, erwartete sie gemeinsam mit den Polizisten Roger Oakley und Tyrell Ford vor der Haustür auf der Veranda.
    Der Mann in der Pyjamahose begann, auf Ben einzureden, sobald er den Fuß auf die Veranda gesetzt hatte.
    »Ich habe nichts angefasst«, erklärte er verstört. »Als ich das Glas gesehen habe, war mir klar, dass ich nichts anrühren darf. Ich habe das Zimmer sofort wieder verlassen und angerufen. Das habe ich Ihren Kollegen schon gesagt.«
    Ben warf Roger einen kurzen Blick zu. »Roger, ich bin froh, dass du die Sache übernommen hast.«
    Der Polizist reagierte mit einem Nicken. Kompliment angekommen. »Das ist Ted McBride.«
    »Cass würde nie weglaufen«, sagte Mr McBride. Er hatte den Oberkörper vorgebeugt und fuchtelte mit dem Zeigefinger in der Luft herum. »Das muss Ihnen klar sein. Schauen Sie sich die Glasscherben an. Jemand hat mein Mädchen entführt.«
    »Ich verstehe, Mr McBride. Wir sind hier, um Ihre Tochter so schnell wie möglich zurückzubringen. Wollen wir nicht ins Haus gehen?«
    An Bens hochgezogener Augenbraue ließ sich ablesen, dass er das Wort »Glasscherben« als den Grund erfasste, weshalb man ihn und Scott gerufen hatte. Es war ein Fall von Rogers legendären »Spinnenbeinen«, das heißt, Roger hatte das Gefühl gehabt, als würden Spinnen seinen Nacken hochkrabbeln. Irgendetwas stimmte nicht in dem Haus.
    Bevor Ben Ted weitere Fragen stellen konnte, brach der Mann schluchzend auf dem Sofa zusammen. Er verbarg das Gesicht in den Händen, aber Tränen tropften zwischen seinen Fingern hindurch und seine Versuche, das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher