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Der Engelmacher

Der Engelmacher

Titel: Der Engelmacher
Autoren: Stefan Brijs
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man gelegentlich zum Doktor gesagt.
    »Es sind sehr ruhige Kinder«, hatte er jedes Mal geantwortet, »ich brauche mich wenig um sie zu kümmern.«
    Natürlich wurde auch Florent sofort darauf angesprochen, als er im »Terminus« erzählte, er habe die kleinen Jungen gesehen.
    »In der Tat, sie sind sehr still«, bestätigte er. »Sie sitzen immer in ihren Babywippen und starren vor sich hin, als würden sie über etwas ganz Kompliziertes nachdenken. Sie haben noch nicht mal aufgesehen, als ich vor ihren Augen einen Nagel in die Wand gehämmert hab, keine fünf Meter von ihnen entfernt. Ich glaube, sie haben mich gar nicht wahrgenommen.«
    »Valium«, bemerkte René Moresnet, »eindeutig Valium.«
    »Ach, hör doch auf«, ging seine Tochter dazwischen, »vielleicht waren sie ein bisschen kränklich oder müde oder so. Geh doch nicht immer gleich vom Schlimmsten aus.«
    Maria wollte wissen, ob die Kinder immer noch so seltsam aussähen. Eigentlich meinte sie hässlich, aber das sagte sie nicht.
    »Ihr Haar ist noch röter als damals, als sie hier waren«, gab der Gelegenheitsarbeiter Auskunft. »Nicht so ein grelles Rot wie beim Doktor, eher eine Farbe, als hätten sie die Köpfe in Eimer mit Mennige gesteckt.«
    »Und …«, setzte Jacques Meekers in fragendem Tonfall an, wobei er auf seine Oberlippe deutete.
    »Handwerklicher Pfusch. Wie wenn man bei einem geborstenen Stück Holz ein bisschen Kitt und abgeschabte Reste in den Spalt stopft, um ihn wieder dicht zu kriegen. Unprofessionell, würd ich sagen.«
    »Und können sie wirklich schon sprechen?«, wollte Maria wissen.
    Florent zuckte mit den Achseln. »Ich hab jedenfalls nichts gehört.«
    »Das dachte ich mir schon«, sagte Maria.
    Auch auf der Straße wurde Florent Keuning in den nächsten Tagen immer wieder angesprochen. Einige Frauen wollten beispielsweise wissen, ob der Doktor eigentlich allein mit dem Haushalt zurechtkam.
    »Ich denke schon. Es ist jedenfalls alles picobello. Er sagt auch immer, dass ich möglichst wenig Dreck machen soll.«
    »Aber wickelt er die Babys auch oft genug?«, fragte Irma Nussbaum, Mutter zweier erwachsener Kinder.
    »Und sind ihre Anziehsachen sauber?«, sorgte sich Helga Barnard, die drei Töchter großgezogen hatte.
    »Probiert er die Milch, bevor er sie ihnen zu trinken gibt, ob sie auch nicht zu heiß ist?«, fragte Odette Surmont, die schon vier Enkelkinder hatte.
    »Von so was hab ich keine Ahnung«, sagte Florent, »das ist nichts für Männer.«
    »Eben, ohne Frau ist das gar nicht so leicht. Der Doktor braucht dringend eine Haushaltshilfe«, wurde beschlossen.
    Eine Frau nach der anderen versuchte alsbald, den Worten Taten folgen zu lassen. Anlässlich simulierter Migräneanfälle erkundigte man sich, ob der Doktor nicht vielleicht eine Haushaltshilfe oder ein Kindermädchen gebrauchen könne, doch Mal um Mal dankte er für das freundliche Angebot und blieb dabei, er könne die Arbeit allein bewältigen. Nichtsdestotrotz nahm er mit deutlichem Interesse die Tipps zur Kenntnis, die man ihm gab, etwa wie die Schmerzen beim Durchkommen der ersten Zähne gelindert werden konnten.
    »Sie müssen ihnen ein tiefgefrorenes Stück Brotrinde zu kauen geben, Herr Doktor«, riet Odette Surmont, während Helga Barnard schwor, bei ihren drei Töchtern hätte ein frischer Zwiebelring hervorragend geholfen.
    Umso bestürzter waren deshalb Irma Nussbaum, Helga Barnard und Odette Surmont, als sie ein paar Tage später von Florent Keuning vernahmen, Charlotte Maenhout werde zukünftig auf die Kinder des Doktors aufpassen. Beim Fegen der Bürgersteige waren sich die drei Frauen am späten Nachmittag an der Ecke Napoleonstraße/Kirchstraße begegnet und hatten den Gelegenheitsarbeiter, der gerade seinen letzten Arbeitstag im Haus des Doktors hinter sich hatte und unterwegs ins »Terminus« war, um sein fürstliches Trinkgeld auf den Kopf zu hauen, sofort umkreist. Die Neuigkeit brachte ihre Besen zum Schweigen, während sie selbst in lautstarken Protest ausbrachen. Frau Maenhout mochte wohl als ehemalige Lehrerin einige Erfahrung mit der Erziehung von Schulkindern haben – sie hatte jahrelang eine erste Klasse an der kleinen Schule in Gemmenich unterrichtet –, aber eigene Sprösslinge hatte sie nie gehabt und einen Mann auch nicht. Woher sollte sie in Gottes Namen wissen, was für Bedürfnisse kleine Kinder hatten?
    Helga fragte noch, ob der Gelegenheitsarbeiter auch wirklich sicher war, woraufhin er anfing zu erzählen, wie er eines
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