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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)
Autoren: Jack Finney
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Vorwort
    von Wolfgang Jeschke
     
     
     
    Wer kennt sie nicht? Jeder, der in New York gewesen ist, kennt sie, die Grand Central Station, das große Terminal in Midtown Manhattan, die Kuppel, die riesige mit Marmor verkleidete Eingangshalle, die Treppen zur oberen Etage, wo die Fernzüge eintreffen und abfahren, und darunter der Bereich, in dem die Regional- und Vorortzüge halten. Das große Bauwerk ist von Treppen, Tunneln und Durchgängen durchlöchert wie ein Schweizer Käse und dadurch für den Reisenden etwas verwirrend, aber wenn Sie Glück haben, wird es Ihnen vielleicht vergönnt sein, die Treppe zu finden, die zum untersten Stockwerk führt. Dort betreten Sie eine andere Welt: In dieser Etage brennt kein elektrisches Licht, an den Wänden und auf den Bahnsteigen flackern Gaslaternen, und auf den Schienen puffen und zischen bunt lackierte Lokomotiven mit ausladenden trichterförmigen Schornsteinen. Die gewölbte Decke über Ihnen ist düster und rußgeschwärzt.
    Auf dem Bahnsteig stehen große Spucknäpfe aus Messing, der Fahrkartenschalter ist holzverkleidet, und der Fahrkartenverkäufer trägt schwarze Ärmelschoner und an einem Gummiband einen grünen Schirm auf der Stirn.
    Bevor Sie jetzt Ihr Fahrziel nennen, Ihre Münzen auf den Zahlteller fallen lassen und zwischen den senkrechten Messingstäben durchschieben, vergewissern Sie sich, dass keine davon ein Prägedatum aufweist, das nach dem Jahr Ihrer Zielzeit liegt – Sie könnten sonst Schwierigkeiten bekommen, sich gar dem Verdacht aussetzen, Falschgeld unter die Leute bringen zu wollen. Es empfiehlt sich daher, immer rechtzeitig vor einer Reise einen Laden aufzusuchen, der alte Münzen anbietet, und eine ausreichende Menge Cent-Stücke zu kaufen, die ihrem Reiseziel entsprechen.
    So – nun können Sie Ihr Fahrziel nennen: etwa Galesburg, Illinois. Der Zug, der am Bahnsteig steht, wird Sie sicher hinbringen ins Galesburg, Illinois – des Jahres 1894, denn hier, in der untersten, der dritten Etage der Grand Central Station New York, gehen die Züge ins 19. Jahrhundert ab.
    Jedenfalls in »The Third Level«, einer reizenden Geschichte aus dem Jahre 1957, in der Jack Finney seine Liebe zur Stadt New York und zum ausgehenden 19. Jahrhundert zum ersten Mal freimütig eingestand. Er war bereits 35 Jahre alt, als seine ersten Erzählungen veröffentlicht wurden, hauptsächlich Kriminalstorys, und 46, als »The Third Level« erschien, mit der er sich als Science-Fiction-Autor vorstellte  – als Zeitreise-Autor.
     
    Am 2. Oktober 1911 als John Finney in Milwaukee, Wisconsin, geboren, wurde er, dreijährig, nach dem Tod seines Vaters umgetauft in Walter Braden Finney, aber sein Leben lang »Jack« genannt. Er ging nach New York und arbeitete lange in der Werbebranche, bis er sich Anfang der Fünfzigerjahre dem Schreiben von Belletristik zuwandte. Mit dem Roman »Die Körperfresser kommen«, der inzwischen nicht weniger als viermal verfilmt wurde (zuletzt unter dem Titel Invasion mit Nicole Kidman in der Hauptrolle, was den Film leider aber auch nicht rettete), landete er seinen größten Erfolg, doch New York, die Stadt, in der er lebte und arbeitete, und die Jahre des ausgehenden 19. Jahrhunderts blieben ihm eine Herzensangelegenheit, sein Leben lang. In den Sechzigerjahren verwendete er viel Zeit darauf, in New Yorker Archiven, Museen und Bibliotheken zu recherchieren, um ein getreues Bild jener Zeit und ihrer Menschen zeichnen zu können. Er stöberte historische Fotos auf, um das Bild zu ergänzen und die Glaubwürdigkeit seiner Schilderungen authentisch zu unterfüttern. Das Ergebnis war der Roman »Von Zeit zu Zeit«.
    In den Achtzigerjahren – Finney lebte inzwischen mit seiner Familie in Mill Valley, Kalifornien – widmete er sich erneut seinem Lieblingsthema. Er machte sich an die Arbeit, eine Fortsetzung zu »Von Zeit zu Zeit« zu schreiben. Das Projekt beschäftigte ihn bis in seine letzten Lebensjahre. Er schloss »Im Strom der Zeit« (das den zweiten Teil dieses Bandes bildet) 1995 ab. Im gleichen Jahr starb Jack Finney 84-jährig in Greenbrae, Kalifornien, an einer Lungenentzündung.
     
    Zeitreise-Romane gibt es schon seit mehr als einem Jahrhundert. Der berühmteste ist »Die Zeitmaschine« von Herbert George Wells, mit dem er dieses Sub-Genre der Science Fiction 1895 begründete. Aber er war nicht der Erste, der sich auf dieses anspruchsvolle und tückische Terrain vorwagte. 1889 war Mark Twains Mittelalter-Burleske »Ein Yankee an
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