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Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)

Titel: Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)
Autoren: Jack Finney
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gedrängt wurde.
    Frank Dapp, unser Art Director, ein kleines rundes Energiebündel, nährte sich gerade in schnellem Lauf seinem abgeteilten Büro in der hinteren Ecke der Grafikabteilung. Als er an dem großen metallenen Materialschrank vorbeikam, der am Eingang des Raumes stand, hämmerte er gewaltig mit den Fäusten gegen die Tür und jodelte aus Leibeskräften  – eine Angewohnheit, die zur Freisetzung überschüssiger Energie diente, ähnlich dem Dampfstoß einer Lokomotive, eine Art Urschrei. Aber weder Vince noch Karl Jonas, die an dem Brett vor mir standen, noch ich selbst sahen hoch. Auch niemand von den Schreibkräften draußen, wie ich vermutete, obwohl wir wussten, dass es Fremde, die im Empfangsraum des Art Department im hinteren Teil des Ganges warteten, bei diesem Geräusch regelmäßig aus den Sesseln riss.
    Es war ein ganz gewöhnlicher Tag, ein Freitag; noch zwanzig Minuten bis zum Mittagessen, fünf Stunden bis zum Büroschluss und Wochenende, zehn Monate bis zum Urlaub, siebenunddreißig Jahre bis zur Pensionierung. Dann klingelte das Telefon.
    »Si, für dich ist ein Mann hier.« Es war Vera aus der Telefonzentrale. »Er hat keinen Termin.«
    »Ist in Ordnung. Das ist mein Mann. Ich brauch ’nen Schuss.«
    »Du brauchtest etwas ganz anderes.« Sie legte auf. Ich stand auf und fragte mich, wer es wohl sein könnte; ein Grafiker einer Werbeagentur bekommt normalerweise nicht allzu viele Besuche. Der Hauptempfangsraum lag ein Stockwerk tiefer. Ich nahm extra den längeren Weg über die Abteilungen für Buchhaltung und Medien, aber umsonst, es waren keine neuen Mädchen eingestellt worden.
    Frank Dapp bezeichnete den Hauptempfangsraum als Off Broadway. Er war mit echten orientalischen Teppichen ausgelegt, einigen Schaukästen mit antiken Silbermünzen, die aus der Sammlung der Ehefrau eines der drei Firmenpartner stammten, und einer Gesellschaftsdame, deren Haar ebenfalls antik silbern war und die die Anfragen der Besucher an Vera weiterleitete. Als ich auf meinen Besucher zuging, betrachtete er gerade eines der Werbeposter an der Wand. Etwas, das ich nicht gerne zugebe und gut zu verbergen gelernt habe, ist meine Schüchternheit im Umgang mit Leuten; und nun, während er sich bei dem Geräusch meiner Schritte zu mir umdrehte, spürte ich das wohlbekannte Gefühl der Beklemmung und momentanen Verwirrung in mir aufsteigen. Er war nicht sehr groß und kahlköpfig und ging mir nur bis zu den Augen; ich bin fast ein Meter achtzig. Er war ungefähr fünfunddreißig und besaß einen beachtlichen Brustumfang; dabei wog er sicherlich mehr als ich, ohne dick zu sein; und er trug einen olivgrünen Gabardineanzug, der nicht so recht zu seiner rötlichen Gesichtsfarbe passen wollte. Ich hoffe, er ist kein Vertreter, dachte ich; dann lächelte er, ein offenes Lächeln, und ich mochte ihn sofort und atmete unwillkürlich auf. Nein, sagte ich mir, er verkauft nichts, und damit hätte ich nicht falscher liegen können.
    »Mr. Morley?« Ich nickte und lächelte zurück. »Mr. Simon Morley?«, sagte er, als ob es hier in der Agentur mehrere von uns Morleys gebe und er auf Nummer sicher gehen wolle.
    »Ja.«
    Das schien ihm noch immer nicht zu genügen. »Nur so zum Spaß, erinnern Sie sich noch an Ihre Dienstnummer bei der Army?« Er fasste mich am Ellenbogen und führte mich hinaus in den Korridor, wo sich die Aufzüge befanden, fort von den Ohren der Empfangsdame.
    Ich ratterte die Nummer herunter; ich war noch nicht einmal auf die Idee gekommen, mich zu fragen, was diesem Fremden überhaupt einfiel; es geschah ganz automatisch.
    »Richtig!«, sagte er zustimmend. Ich fühlte mich geschmeichelt. Wir befanden uns jetzt ganz allein im Korridor.
    »Sind Sie von der Army? Wenn ja, ich habe heute dafür keinen Bedarf.«
    Er lächelte, beantwortete aber meine Frage nicht. Er sagte nur: »Ich bin Rube Prien«, und zögerte einen Moment, als ob mir der Name etwas sagen müsste, dann fuhr er fort. »Ich hätte anrufen und einen Termin ausmachen sollen, aber ich bin in Eile, und deshalb habe ich mein Glück einfach einmal so probiert.«
    »Das ist schon in Ordnung, ich war sowieso mit nichts anderem beschäftigt, als mit meiner Arbeit. Was kann ich für Sie tun?«
    Er verzog ein wenig das Gesicht angesichts dessen, was er mir sagen wollte. Es schien schwierig zu sein. »Ich würde gerne eine Stunde Ihrer Zeit beanspruchen. Jetzt gleich, wenn es Ihnen passt.« Er sah besorgt aus. »Es tut mir leid, aber … wenn Sie mir
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