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Der Engel von Santa Marguerita

Der Engel von Santa Marguerita

Titel: Der Engel von Santa Marguerita
Autoren: Alexander Borell
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geben!“
    Sie rannte nach vorn zum Ruder und gab Gas. Das Boot hob sich mit dem Bug hoch und raste über das Wasser. Ich hielt die Angel fest und war froh, daß ich angeschnallt war. Ich spürte, wie der Fisch gegen den Zug kämpfte, und sah ihn hin und wieder ein Stück über die Oberfläche kommen.
    Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis der Zug in der Angel nachließ. Das Tier wurde allmählich müde. Andy verlangsamte die Fahrt, und ich drillte den Fisch ganz vorsichtig immer näher heran.
    Ich brachte den todmüden Fisch bis auf zwei Yards an die Spitze der Angelrute. Er torkelte nur noch ermattet hin und her. Ich schnallte mich los und nahm den Kescher. Andy stoppte das Boot und ging mit der Angel längsseit nach vorn. Ich konnte den Fisch herausheben. Er war ungefähr anderthalb Yards lang und wog bestimmt sechzig Pfund. Er lag im Netz und schnappte.
    Andy zeigte auf ein Stilett, das bei den Angelgeräten lag. „Man muß ihn direkt hinter dem Kopf ins Rückgrat stechen, dann ist er sofort tot.“
    „Tust du das?“
    Sie schüttelte sich.
    „Ich kann’s auch nicht“, sagte ich, und dann versuchte ich, ihm den Blinker aus dem Maul heraus zu holen. Aber da fing er wieder an zu toben und wäre mir beinahe über Bord gegangen.
    „Dreh dich um!“ sagte ich zu Andy.
    Sie drehte sich um, und ich tötete den Fisch mit dem Stilett. Dann nahm ich den Blinker mit den drei Haken heraus; er hatte ihn tief verschluckt.
    „So“, sagte ich zu Andy, während ich meine blutigen Hände im Wasser abspülte, „ich bin fertig.“
    Wir bewunderten unseren Fang, und dann hängten wir ihn mit einem Haken an den Mast, so daß man ihn weithin sehen konnte.
    Wir brachten das Boot wieder auf größere Fahrt. Mr. Smith kannte sich vor Aufregung selbst nicht mehr; er bellte wie verrückt, versuchte nach dem Fisch zu schnappen und drohte, sich in den Angelschnüren heillos zu verwickeln.
    Ich brachte ihn in die Kajüte und holte ein Sandwich aus Andys Korb.
    „Da, du Satan, — hast du was zur Beruhigung. Erst wenn du dich wieder anständig aufführst, darfst du ‘raus.“
    Ich machte die Kajütentür zu, und dann setzte ich mich neben Andy.
    „Ich fürchte“, sagte ich, „ich werde nie ein guter Angler werden. Es ist kein fairer Kampf. Der Fisch hat keine Chancen.“
    Wir gingen nach vorn und legten uns auf das Deck. Unter uns spürten wir das Vibrieren des Motors. Drei Marineflugzeuge flogen in geringer Höhe eine Schleife um uns, und wir winkten hinauf. Andy hatte ihren Kopf in die Beuge meines Armes gelegt und die Augen geschlossen.
    „So müßte es immer bleiben“, sagte sie.
    „Ja, das wäre schön.“
    Ich rückte so nahe zu ihr hin, daß ich spürte, wie sie atmete. Ich starrte in den unendlichen blauen Himmel. Mr. Smith in der Kajüte tobte noch immer. Er bellte und winselte.
    „Laß ihn doch raus!“ sagte Andy. Ihre Stimme klang schläfrig.
    „Ach was“, sagte ich, „ich möchte meine Ruhe haben.“
    Eine Weile lagen wir ganz still, dann setzten wir uns auf und rauchten.
    Ein fremdes Boot, ähnlich wie unseres, kam auf uns zugebraust. Vier junge Männer waren darin. Sie hatten schon drei Salme am Mast hängen. Sie rauschten an uns vorbei, und dann wurde es wieder einsam und still um uns, nur unser Motor brummte zufrieden vor sich hin.
    Ich stand auf und ging in die Kajüte.
    Der Hund lag verkrümmt auf dem Boden und hatte grünlichen Schaum vor dem Maul. Ich legte meine Hand auf ihn, und dann horchte ich, ob ich sein Herz noch hörte. Mr. Smith war tot.
    Ich fand in einem eingebauten Wandschrank eine runde Porzellanplatte und legte die Sandwiches drauf. Dann ging ich hinaus zu Andy.
    „Ich hab’ Hunger bekommen“, sagte ich, „wollen wir nicht etwas essen?“
    Sie setzte sich auf. „Jetzt schon?“
    „Warum nicht?“
    Ich stellte die Platte zwischen uns auf das Deck’.
    „Feine Sachen“, sagte ich, „Gänseleber, Schinken, Steak,
    — womit soll ich anfangen?“
    Sie griff nach der Gänseleber.
    „Womit du willst“, sagte sie.
    Ich nahm mir auch eins mit Gänseleber und führte es langsam zum Mund.
    Sie schlug es mir aus der Hand. In ihren Augen stand helles Entsetzen.
    „Nicht, Chess! Nicht —“
    Sie legte ihr Sandwich zurück und senkte den Kopf. Es ging wie ein Krampf durch sie.
    „Sie sind alle vergiftet, Chess.“
    „Ich weiß es, Andy.“
    Mit einem Ruck hob sie den Kopf. Ihre hellen Augen waren jetzt ganz dunkel.
    „Du, — du — weißt es?“
    „Ja“, sagte ich, „ich gab eins
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