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Der Engel von Santa Marguerita

Der Engel von Santa Marguerita

Titel: Der Engel von Santa Marguerita
Autoren: Alexander Borell
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davon dem Hund. Er ist tot.“
    Ihre Lippen öffneten sich ein wenig. Ich schob die Platte zur Seite. Andy sank nach vorn über. Ich fing sie auf und bettete ihren Kopf in meinen Schoß. Sie lag ganz ruhig, aber aus ihren geschlossenen Augen kamen Tränen.
    „Ich wollte, daß wir beide, — Chess, du und ich, — aber
    — ich — ich konnte es nicht.“
    Ich schwieg und tupfte ihr mit meinem Taschentuch die Tränen weg.
    „Er war ja krank, Chess, — er war sehr krank, und er hätte nicht mehr lange gelebt. Aber er hätte vorher noch Julia geheiratet. Und meine Mutter betete ihn an. Ihr ganzes Leben lang betete sie ihn an. Sie durfte das nicht erfahren, Chess, — das durfte nicht sein.“
    „Wie bist du darauf gekommen, Andy?“
    „Ich holte Bilder ab, in unserem Fotoladen, und da gab mir der Verkäufer den Umschlag mit seinem großen Bild. Das kam mir merkwürdig vor, weil er davon nichts gesagt hatte, und ich ließ das Bild im Geschäft und sagte, er würde sich das selber abholen. Und dann fing ich an, ihn zu beobachten. Er war sehr vorsichtig, aber ich hatte es doch bald heraus. Und dann wurde er etwas kränker, und eines Tages sagte er mir, ich solle den Notar bestellen. Ich wußte aber, daß er schon ein Testament gemacht hatte. Und als es ihm wieder etwas besser ging, hörte ich zufällig, wie er mit Julia sprach. Er hätte sie geheiratet, Chess, er hätte sich von Mammy scheiden lassen!“
    Ich streichelte ihr übers Haar und legte meine Hand auf ihre linke Brust. Ich spürte, wie ihr Herz klopfte. Sie legte ihre linke Hand auf meine.
    „So ist’s gut, Chess. — Er bekam dann wieder einen Anfall, und da tat ich es.“
    Wir waren ungefähr auf der Höhe von Catalina, aber vier oder fünf Meilen westlich. Wir liefen jetzt den gleichen Kurs, auf dem Collins seine letzte Fahrt gemacht hatte.
    „Und dann?“ fragte ich leise.
    „Und dann? — Collins hatte Verdacht geschöpft. Ich merkte es ihm an, aber ich glaube, er dachte dabei an Davis. Er sprach natürlich nicht mit mir darüber, aber ich beobachtete ihn, und eines Tages, als er mit Arlene zusammen im Labor war, hörte ich, wie er davon sprach. Ich war ihm nachgeschlichen, Chess, dauernd war ich ihm nachgeschlichen. Und da schoß ich auf ihn, als er badete. Und dann gab ich ihm den vergifteten Kaffee. Und dann fuhr ich ihm nach, als er zu dir ging. — Oh, Chess, — ich schwöre es dir, — ich tat es nicht meinetwegen. Aber wenn Collins geredet hätte, wäre doch herausgekommen, daß mein Vater und Julia ein Verhältnis hatten, und dann hätte es Ma erfahren, und alles wäre umsonst gewesen. Chess, — verstehst du das?“
    „Vielleicht.“
    „Ja, — vielleicht. Ich glaube, das kann kein Mensch verstehen, Chess. Du nicht, — und nicht einmal Ma. — Chess, bis ich dich kennenlernte, habe ich außer Ma noch keinen Menschen geliebt.“
    Wir schwiegen — eine lange, lange Zeit. Immer noch lief das Boot in südlicher Richtung, weg vom Festland.
    „Seit wann wußtest du es, Chess?“
    „Seit gestern abend, Andy. Du hast den Brief, den du Arlene in die Schreibmaschine stecktest, in einem ,Harper’s Magazin’ hingetragen und hast das Magazin dort liegen lassen. Gestern fand ich alle Nummern in deinem Zimmer, nur die eine fehlte.“
    Ich dachte, sie würde nun fragen, was ich mit ihr machen würde, und ich überlegte mir eine Antwort. Noch nie in meinem Leben habe ich so krampfhaft nach einer Antwort gesucht. Aber sie fragte nicht.
    Sie richtete sich auf, schaute aufs Meer hinaus und sagte:
    „Man kann wohl nicht immer da bleiben, wo man gern bleiben möchte, Chess. Man muß immer wieder weiter, — ob es häßlich ist, oder ob es schön war, man darf nie stehenbleiben.“
    Sie stand auf und ging zur Kajüte. Ich wollte aufspringen, wollte ihr nachlaufen; aber ich blieb sitzen. Erst eine halbe Stunde später ging ich in die Kajüte. Andy war schon tot.
    Ich warf das Boot auf Gegenkurs und setzte die Funkanlage in Betrieb. Ich kannte die Frequenz der Polizei nicht, aber ich fand auf der Tabelle neben dem Sender die Wellenlänge der Küstenwacht. Ich rief sie an und sagte ihnen, sie sollten mir sofort mit einem Arzt entgegenkommen, Zyankaliumvergiftung, und sie sollten für eine Ambulanz sorgen und sollten Dug Craig verständigen.
    Ich streichelte Andy noch einmal übers Haar, und dann breitete ich eine Decke über sie.
    Ich ging aufs Deck hinaus und gab der Platte mit den Sandwiches einen Tritt, daß sie ein Stück übers Wasser glitt, bis sie
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