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Der Engel von Santa Marguerita

Der Engel von Santa Marguerita

Titel: Der Engel von Santa Marguerita
Autoren: Alexander Borell
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    Manche Leute rackern sich ihr Leben lang ab, ohne es jemals zu etwas zu bringen. Andere brauchen nur den Finger zu krümmen, und alles fällt ihnen in den Schoß. In meinem Falle brauchte ich es nicht einmal selbst zu tun; für mich tat es ein anderer. Auch wenn ich es beileibe niemals gewollt hatte.
    Vor knapp sechs Wochen geschah das. Damals machte Hanky Clansman, nicht weit vom Hollywood Country Club, den Finger zweimal krumm: der erste Schuß traf Roy McGowan am rechten Halsansatz und zerriß ihm die Carotis, sprich: Halsschlagader. Der zweite Schuß saß genau im Herzen. McGowan, zweiundfünfzig Jahre alt, hinterließ weder Frau und Kind noch sonst irgendwelche Verwandte.
    Ich hatte eine Menge Ärger mit der Polizei, als McGowans Testament bekannt wurde. Er hatte mich als Erben eingesetzt, und Leutnant Delmonte wollte mir den Mord absolut in die Schuhe schieben. Er hatte genug Gründe dafür. Ich war ein armer Schlucker, und McGowans Detektei, in der ich seit zwei Jahren arbeitete, war ein fetter Brocken für mich. Ganz abgesehen von seinem Bankkonto mit etwas über sechzehntausend Dollar. Zum Glück gelang es mir gerade noch rechtzeitig, Hanky Clansman den Mord nachzuweisen und ihn Leutnant Delmonte zu übergeben.
    Seitdem saß ich in dem Büro, das Roy gehört hatte, und spielte den Alleininhaber. Offenbar glaubten die Leute aber, mit Roy McGowan sei auch sein Laden gestorben; es kam niemand, der einen Detektiv brauchte.
    Vor vierzehn Tagen erschien dann der letzte Nachtrag zum Adreßbuch, in dem ich schon meine eigene Eintragung hatte, unter dem Namen sowohl, als auch im Branchenverzeichnis.

    , Marlon, Ch., Privatdetektiv, 194 Rosewood Avenue, Postbezirk 34, Telefon: Culver City CC=13=2635.’

    Trotzdem hatte ich viel freie Zeit, zuviel freie Zeit.
    Am 2. September, einem Freitag, florierte allerdings das Geschäft. Da kam vormittags ein älterer Herr, der mich dazu überreden wollte, seinem Schwiegersohn einen Seitensprung nachzuweisen. Er war wütend, daß ich mit zwielichtigen Scheidungsangelegenheiten nichts zu tun haben und daher nicht für ihn arbeiten wollte. Dann erschien ein weiterer älterer Herr, der behauptete, seine Hühner wären vom Nachbar vergiftet worden, und ich solle ihm die Beweise dafür verschaffen. Er war einsichtiger als Nummer eins, aber sichtlich betrübt, infolge meiner Weigerung keinen Prozeß führen zu können; vermutlich waren die Hühner am Pips eingegangen.
    Nach dem Lunch störte mich eine junge Dame aus meiner Mittagsruhe, deren Freund in Pasadena lebte und der sie seit vier Tagen nicht mehr angerufen hatte. Ich sollte — für ein Honorar von fünf Dollar — hinfahren und nachsehen, was los war. Ich wäre schon hingefahren, aber nicht für fünf Dollar, und mehr war ihr der Freund offenbar nicht wert. So zerschlug sich auch dieses Geschäft.
    Ich studierte gerade die „The News“, nachdem ich die „Citizen=News“ auswendig gelernt hatte, als es erneut an der Tür zu meinem Vorzimmer klopfte. Ich ließ die Zeitung verschwinden und ging meinem Besuch entgegen. Es war ein Mann in einem schlechtsitzenden, hellgrauen Anzug. Der Hemdkragen war zerknittert, und die unpassende, hellgrüne Krawatte saß miserabel. Seine Schuhe knarrten ein wenig. Ich führte ihn ins Büro und schob ihm den Besuchersessel vor meinem Schreibtisch zurecht. Dann pflanzte ich mich in meinen Stuhl, schaute ihn an und sagte das, was Roy McGowan immer gesagt hatte:
    „Bitte, was kann ich für Sie tun?“
    Er trug eine randlose Brille und musterte mich.
    „Sie sind doch der bekannte Detektiv?“ fragte er.
    Ich räusperte mich nur, was er als ja oder nein auslegen konnte. Ich wußte genau, daß ich der bekannte Detektiv nicht war, den er meinte.
    „Wo brennt’s denn?“ fragte ich.
    „In meinem Frühstückskaffee war heute morgen Zyankali“, sagte er, als ob das die selbstverständlichste Sache der Welt sei. „Vermutlich wollte man mich vergiften.“
    „Hm“, machte ich, „und nun soll ich wohl herausbringen, wer Sie ins Jenseits befördern wollte?“
    „Nein“, sagte er und schüttelte versonnen den Kopf, „das weiß ich.“
    „So, das wissen Sie? Waren Sie schon bei der Polizei? Für einen Mordversuch ist nämlich die zuständig.“
    Wieder schüttelte er den Kopf.
    „Nein —, ich möchte nicht zur Polizei gehen.“
    Ich hatte einen leisen Verdacht, aber der Mann sah sonst ganz normal aus.
    „Und was soll ich nun tun?“ fragte ich.
    „Ich möchte, daß Sie die Angelegenheit
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