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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz
Autoren: David Ignatius
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Libanese betrachtete das Bild ein paar Minuten lang, um sich wieder zu fassen, dann kehrte er an seinen Platz zurück.
    «Und was schlagen Sie vor, Mr.   Pappas?»
    Da war sie also: die unvermeidliche Aufforderung, ein Angebot zu machen. Atwan war und blieb ein Geschäftemacher, und jetzt versuchte er, sich einen Vorteil zu sichern.
    «Ich schlage gar nichts vor. Nur, dass Sie Ihren Mann, Al-Majnoun, möglichst schnell aus dem Iran herausholen sollten. Am besten bringen Sie ihn hierher nach London, wo Sie ihn im Auge behalten können. Und das sollten Sie unbedingt machen, bevor er Sie und eine ganze Reihe anderer Leute mit sich in den Abgrund reißt. Ihnen ist ja wohl klar, dass es sich hier nicht um eine Drohung handelt. Drohungen habe ich nicht im Angebot. Es ist einfach nur ein guter Rat. Andernfalls würde ich zu der Annahme neigen, dass Sie, wie wir Amerikaner das so ordinär auszudrücken pflegen, im Arsch sind.»
    Atwan wandte das Gesicht ab, um Harry seine Miene nicht zu zeigen. Er war ein Mensch, der immer die Kontrolle behielt, in allen Lebenslagen. Jetzt wog er anscheinend seine Möglichkeiten ab, überlegte, was er zu verlieren hatte, je nachdem, wie er sich entschied. Angeblich können manche Schachspieler gleich mehrere Dutzend Züge voraussehen, die auf eine bestimmte Bewegung einer Figur auf dem Spielbrett folgen werden. Auch Atwan schien diese Fähigkeit zu besitzen. Er hatte so hart dafür gearbeitet, wie er nur konnte, um das Risiko in der riskantesten Branche der Welt zu minimieren. Nach einer Weile wandte er sich wieder seinem Gast zu.
    «Sie sind recht aggressiv, muss ich feststellen», sagte er kühl. «Aber bitte: Die Botschaft ist angekommen.»
    Er erhob sich, sichtlich immer noch in seine privaten Erwägungen vertieft. Diesmal nahm er Harry nicht bei der Hand, sondern ging ihm einfach nur voran aus der Bibliothek und führte ihn zur Treppe. Die Show war vorbei. Das war der Vorteil harter Worte: Man durchbrach damit die Schicht aus falscher Höflichkeit, die über dem Wesentlichen lag, und erreichte die Ebene nackter Wirklichkeit. Atwan ging langsam die Stufen hinunter. Man hätte meinen sollen, er würde es eilig haben, Harry wieder loszuwerden, doch er ließ sich Zeit, schien ein weiteres Angebot zu überdenken.
    Schließlich blieb er am Fuß der Treppe in der Eingangshalle stehen. Draußen hatte es zu regnen begonnen, dicke Tropfen schlugen an die bleiverglasten Fenster. Atwan griff erneut nach Harrys Hand.
    «Mir scheint, es ist kein allzu freundlicher Abend. Ein Sauwetter, wie man hierzulande sagt. Bleiben Sie doch noch ein wenig, Harry, bis sich die Wolken wieder verzogen haben.»
    Damit führte er Harry in einen Salon gleich neben der Diele und schloss die Doppeltür hinter sich. Harry nahm Platz, während Atwan an die Gegensprechanlage trat. Er klingelte nach dem Butler, lauschte einen Augenblick und sagte dann ein paar Worte auf Arabisch.
    «Mir ist heute Abend nach einem Drink», sagte er dann, zu Harry gewandt. «Sie wissen ja, dass ich selten Alkohol trinke, aber heute, mit Ihnen, mein Lieber, werde ich wohl eine Ausnahme machen. Ist Ihnen das recht?»
    «Sicher», sagte Harry. «Ich hätte auch gern einen Whisky.»
    Atwan trat an die verspiegelte Hausbar, die sich in einer Nische des Zimmers verbarg, und schenkte zwei Whisky pur ein. Dann zögerte er einen Augenblick und füllte noch ein drittes Glas.
    «Erwarten wir noch jemanden?», fragte Harry.
    «Ja, ich denke schon. Wir machen eine kleine Abendgesellschaft daraus. Eine Art Wiedervereinigung. Was spricht dagegen?»
    Atwan reichte Harry seinen Whisky und setzte sich neben ihn auf das Sofa. Er nahm erst einen kleinen Schluck und leerte dann fast das ganze Glas in einem Zug. Es klopfte an die Tür des Salons, und Harry rechnete damit, dass sich Adrian Winkler zu ihnen gesellen würde, der Komplize dieses bizarren Unternehmens. Doch da täuschte er sich.
     
    Die Türflügel öffneten sich, und ein Mann im schwarzen Anzug kam herein. Er ging mit raschen, unregelmäßigen Schritten, sodass er fast zu hüpfen schien. Als er den Raum betrat, hielt er den Kopf gesenkt, und seine Augen verschwanden hinter einer dunklen Sonnenbrille, doch als er vor Harry stand, richtete er sich auf und nahm die Brille ab. Ein seltsameres Gesicht war Harry noch nie begegnet. Die Haut um die Augen war so straff gezogen, dass sie fast asiatisch anmuteten. Die Nase war knollenförmig, als hätte man ihr noch zusätzliches Fleisch hinzugefügt, und die
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