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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz
Autoren: David Ignatius
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aber danach bin ich endgültig raus.»
    «Wie endgültig ist denn dieses ‹endgültig›?»
    «So endgültig, dass ich von nun an das ganze Jahr in unserem Sommerhaus verbringen werde.»
    Marcia drohte ihm mit einem nikotinfleckigen Zeigefinger.
    «Sie wollen doch nicht etwa das Handtuch werfen? Sie elender Mistkerl. Wie können Sie es wagen, mich hier alleinzulassen? Das finde ich wirklich unverzeihlich. Nach allem, was wir zusammen durchgemacht haben, hätte ich es zumindest verdient, als Erste sagen zu dürfen: ‹Leckt mich doch alle am Arsch.› Aber nein, jetzt muss ich nicht nur bleiben, sondern Ihnen auch noch hinterherräumen. Das ist mal wieder typisch.»
    Damit zog sie sich grummelnd in ihr Büro zurück und ließ Harry mit dem Märtyrer und seinen tränenfeuchten Augen allein.
     
    Bevor er mittags das Büro verließ, um neuerlich zum Flughafen zu fahren, rief Harry Sir David Plumb auf seinem Handyan. Er erreichte ihn in seinem Club und teilte ihm mit, den Briten blieben noch genau vierundzwanzig Stunden, um ihre wie auch immer gearteten Pläne in die Tat umzusetzen. Danach würde es zu spät sein.

40   London
    Am Mittag des folgenden Tages hielt der britische Premierminister in seinem Büro in der Downing Street Nummer 10 eine unangekündigte Ansprache. Die britischen Fernsehsender bekamen bloß eine halbe Stunde Vorlauf, um ihre Kameras in Position zu bringen, und in der U S-Botschaft am Grosvenor Square erfuhr man von der Ansprache erst fünf Minuten bevor der Premier das Wort ergriff, und auch dann wusste man nur, dass die Rede den Iran betreffen werde. Als der panische Anruf im Weißen Haus einging, war es bereits zu spät. Der Premierminister hatte zu sprechen begonnen.
    Er eröffnete seine Ansprache mit der Ankündigung, dass er zu der ungewöhnlichen Maßnahme greifen wolle, eine verdeckte Geheimdienstoperation öffentlich zu machen. Während der vergangenen Monate habe der britische Secret Intelligence Service neue Informationen über ein geheimes Atomwaffenprogramm des Iran erhalten. Man habe herausgefunden, dass im Iran Experimente mit einigen Technologien durchgeführt würden, die für die Konstruktion einer Bombe notwendig seien, jedoch auch, dass die dortigen Forschungen von ernsthaften technischen Problemen behindert würden, mit denen die Iraner nicht gerechnet hätten.
    Großbritannien, fuhr der Premierminister fort, habe Hilfe von einem tapferen iranischen Wissenschaftler erhalten, der in einem der offiziellen Forschungszentren gearbeitet habe, in denen das Regime seine Nuklearforschungen in aller Heimlichkeit fortgesetzt habe. Im Lauf der letzten Wochen habe ein Team britischer Geheimagenten diesem Wissenschaftler zur Flucht aus dem Iran in ein drittes Land verholfen, wo man ihn eingehend befragt habe. Der Wissenschaftler habe von atomaren Forschungen in einem weiteren, bis dato unbekannten Forschungszentrum in Maschhad berichtet. In der Folge habe der junge Mann sich todesmutig bereit erklärt, zusammen mit dem britischen Agententeam, das ihn ausgeschleust habe, in den Iran zurückzukehren, um weitere Informationen zu beschaffen. Dabei sei er ums Leben gekommen, ebenso wie die drei Mitglieder des britischen Geheimdienstteams. Alle vier, erklärte der Premierminister, seien Helden. Durch ihren mutigen Einsatz sei den iranischen Bemühungen, Atomwaffen zu bauen, ein nicht wiedergutzumachender Schlag versetzt worden.
    Er berichtete weiter, dass der britische U N-Botschafter just in diesem Moment der Internationalen Atomenergiebehörde sowie dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ein detailliertes Dossier mit Beweismaterial zum iranischen Nuklearprogramm überreiche, damit die beiden Gremien über eine angemessene Handlungsweise befinden könnten. Dann setzte er hinzu, Großbritannien werde sich gegen jeglichen Versuch einer anderen Nation stellen – und zur Bekräftigung wiederholte er noch einmal: «einer jeden anderen Nation»   –, ein Embargo über den Iran zu verhängen, geschweige denn militärische Schritte einzuleiten. Das iranische Atomwaffenprogrammsei durch den Einsatz des britischen Geheimdiensts vollkommen entlarvt worden. Die angemessene Reaktion bestehe nun in aufmerksamer Überwachung und nichtmilitärischen Sanktionen, mit denen sicherzustellen sei, dass das Forschungsprogramm nicht wieder aufgenommen werde.
    Der Premierminister schloss mit der Ankündigung, er werde sich in Kürze mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten verständigen, um einen gemeinsamen
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