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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz
Autoren: David Ignatius
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heute, das steht fest, aber es gibt doch so viele Morgen. Nehmen wir jetzt einmal an, sie schaffen es und bauen so ein kleines atomares Monster. Dann werden sie trotzdem niemals wissen, wie es funktioniert. Niemals.»
    Harry hatte jede Freude an der Raffiniertheit des Unternehmens verloren. Inzwischen empfand er nur noch Widerwillen.
    «Warum haben Sie das getan, Kamal? Warum haben Sie den Mörder Al-Majnoun auf die Sache angesetzt? Sie haben einen jungen Mann getötet, dem ich etwas versprochen hatte. Sie haben tapfere britische Agenten getötet. Sie sind doch der eigentlich Wahnsinnige. Was stimmt denn bloß nicht mit Ihnen?»
    «Ich schütze nur meine Investitionen, mein Lieber. Es reicht nicht aus, nur auf der einen Seite der Transaktion zu sein. Wenn man wahrhaft erfolgreich sein will, muss man beide Seiten besetzt halten. Deshalb habe ich Al-Majnoun von dem Moment an Wache halten lassen, als Sie den kleinenMolavi ins Spiel gebracht haben. Er sollte ihn schützen und die Kontrolle behalten. Hätte ich das nicht getan, hätte womöglich jemand weit Gefährlicheres meinen Platz eingenommen.»
    «Wieder Bockmist. Sie sind doch Waffenhändler. Sie wollten dem Iran einfach nur weiter Ihren Plunder verkaufen und noch mehr Geld verdienen.»
    Atwan zuckte die Achseln. Er rückte die samtenen Aufschläge seiner Hausjacke zurecht, sodass sie ganz lotrecht ausgerichtet waren. Wenn Harry sein Angebot nicht zu schätzen wusste, dann war das eben sein Pech.
    «Ich handle mit dem Uneindeutigen, Mr.   Pappas. Ich stehe für Unsicherheit. Ich repräsentiere die Kunst des Geschäftemachens, die in unserem Teil der Welt die eigentliche Wirklichkeit ausmacht. Mir ist daran gelegen, die Ambivalenz zu fördern, die es beiden Seiten erlaubt, immer weiter zu gehen, ohne je den Punkt zu erreichen, den man gemeinhin als das sprichwörtliche Ende des Weges bezeichnet. Ein Ende bringt nur Gefahren mit sich.»
    «Sie sind wirklich nicht mehr ganz dicht, Kamal. Und Ihr Freund da drüben, dieser Kartoffelkopf, sollte den Rest seines Lebens in einer dunklen Gefängniszelle zubringen und an seinem Schorf herumkratzen.»
     
    Harry hielt sich nicht weiter damit auf, dem Libanesen die Hand zu geben oder noch etwas Passendes zum Abschied zu sagen. Er drehte sich einfach um und ging zur Tür. Doch Kamal Atwan hielt ihn zurück.
    «Ehe ich Sie gehen lassen kann, mein Lieber, muss ich Ihnennoch eine letzte Frage stellen. Sie ist ganz entscheidend für meine künftigen Geschäftsabwicklungen. Woher wussten Sie, dass unser Mr.   Sadr hier, der Wahnsinnige, in meinem Auftrag gearbeitet hat? Das war ein recht sorgsam gehütetes Geheimnis. Ist Ihr technisches Spielzeug tatsächlich so gut? Das gäbe mir dann wirklich Anlass zur Sorge.»
    Harry lachte. Es war das erste Mal seit sehr, sehr langer Zeit, dass er richtig schallend lachte.
    «Was ist denn bloß so komisch an meiner Frage, mein Lieber?»
    «Gar nichts. Sie zeigt einfach nur, was für ein Schwachkopf Sie sind.»
    «Wie bitte?»
    «Die Wahrheit ist, dass ich absolut nichts von Al-Majnoun wusste. Ich habe mir das alles nur zusammengereimt. Sicher war ich mir erst, als Sie mir gesagt haben, dass er Ihr Mann ist. Glücklicherweise trage ich aber eine Wanze, die unser ganzes Gespräch direkt zu meinen lahmarschigen CI A-Kollegen übertragen hat, falls jemand irgendwann einmal Verwendung dafür haben sollte. Und soll ich Ihnen noch was sagen? Mit Verlaub, Sir, Sie reden zu viel.»
     
    Damit verließ Harry das Haus. Er ging durch die doppelten Türflügel des Salons, vorbei an dem Renoir und dem Monet, vorbei an dem Butler, der unschlüssig neben der Haustür stand, und hinaus in den Londoner Abend. Draußen schüttete es wie aus Eimern. Harry ging ein paar Straßen zu Fuß bis zum Piccadilly Circus, wo er sich in ein Café setzte. Das Lokal füllte sich nach und nach mit jungen Leuten, die vonder Arbeit kamen und teilweise kaum älter zu sein schienen als Lulu, seine Tochter.
    Harry zog sein Handy aus der Tasche und rief einen alten Freund beim MI5, dem britischen Inlandsgeheimdienst, an, den er vor vielen Jahren in Washington kennengelernt hatte. Sie sprachen fast eine halbe Stunde lang. Der Mann am anderen Ende der Leitung machte sich Notizen und unterbrach Harry hin und wieder mit einer Detailfrage, doch am Ende hatten sie alles lückenlos geklärt.
    Dann telefonierte Harry mit Adrian Winkler. Der SI S-Stabschef klang immer noch mitgenommen. Seine Stimme klang monoton, obwohl er sich nach
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