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Der Einfaltspinsel

Der Einfaltspinsel

Titel: Der Einfaltspinsel
Autoren: Tom Sharpe
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zufiel, Wilts Geisteszustand zu begutachten, ebenso große Schwierigkeiten wie Dr. Dedge. Wilt hatte sämtliche gängigen visuellen und symbolischen Tests so erstaunlich mühelos bewältigt, dass die Psychiaterin hätte schwören können, er hätte sie vorher ausgiebig geübt. Seine sprachlichen Fertigkeiten waren sogar noch irritierender. Einzig seine Einstellung gegenüber Sex blieb verdächtig. Offenbar fand er kopulieren langweilig und anstrengend, um nicht zu sagen, albern und ziemlich abstoßend. Dass er die Fortpflanzungsgewohnheiten von Regenwürmern und Amöben bewunderte, die sich einfach durch Teilung vermehrten, freiwillig im Falle der Amöben und, soweit Wilt wusste, unfreiwillig bei Regenwürmern, wenn sie von einem Spaten halbiert wurden, deutete offenbar auf eine stark unterdrückte Libido hin. Da die Irrenärztin überhaupt keine Ahnung von Amöben und Regenwürmern hatte, aber ganz wild auf das bisschen Sex war, das sie bei ihrem Aussehen abbekam, wertete sie diese Information als unangenehme Überraschung.
    »Soll das heißen, Sie würden sich lieber halbieren lassen, als mit Ihrer Frau zu schlafen?«, fragte sie in der Hoffnung, daraus schließen zu können, dass Wilt Ansätze einer gespaltenen Persönlichkeit zeigte.
    »Natürlich nicht«, antwortete Wilt entrüstet. »Hören Sie, falls Sie mal meine Frau kennen lernen, verstehen Sie meine Beweggründe.«
    »Sie finden Ihre Frau körperlich nicht attraktiv?«
    »Das habe ich nicht gesagt, außerdem wüsste ich nicht, was Sie das angeht.«
    »Ich will Ihnen lediglich helfen«, sagte die Psychiaterin.
    Wilt musterte sie skeptisch. »Ach ja? Ich dachte, man hätte mich zur Begutachtung hergebracht, nicht um anzügliche Erkundigungen über mein Liebesleben einzuholen.«
    »Ihre sexuelle Einstellung ist Teil des Begutachtungsprozesses. Wir möchten uns ein abgerundetes Bild Ihres Geisteszustands bilden.«
    »Mein Geisteszustand wurde nicht dadurch beeinträchtigt, dass ich überfallen, bewusstlos liegen gelassen und auf den Kopf geschlagen wurde. Ich bin kein Krimineller und dachte eigentlich, Sie hätten mittlerweile herausgefunden, dass ich alle meine fünf Sinne beisammenhabe. Nachdem Ihnen das klar geworden ist, schlage ich vor, dass Sie sich um Ihren eigenen Kram statt um mein Eheleben kümmern. Und falls Sie mich für pervers oder so was halten, dann möchte ich Ihnen sagen, dass meine Frau und ich vier Töchter produziert haben oder, um es präzise zu formulieren, meine Frau Eva hat vor vierzehn Jahren Vierlinge bekommen. Hoffentlich macht Ihnen das deutlich, dass ich ein normaler Heterosexueller und überdies Vater bin. Wenn Sie jetzt von mir verlangen, noch ein paar grotesk einfache Psychotests zu bewältigen, tue ich Ihnen gern den Gefallen. Allerdings habe ich nicht vor, über mein Ehe- und Geschlechtsleben zu sprechen. Das können Sie mit Eva machen. Ich glaube, ich höre gerade ihre Stimme. Wie pfiffig von ihr, mir in einem so günstigen Augenblick zur Seite zu stehen. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, ich werde mich wohl um Polizeischutz bemühen.«
    Die Seelenklempnerin mit offenem Mund und durch ihre Brille glotzend zurücklassend, eilte er aus dem Zimmer und durch den Flur, nur fort von Evas Stimme, die verlangte, ihren lieben Henry zu sehen. Im Hintergrund hörte man die Vierlinge jemandem, dem nicht gefiel, was er sah, versichern, er sähe nicht doppelt. »Wir sind keine Zwillinge, wir sind Vierlinge«, flöteten sie im Chor.
    Wilt eilte weiter auf der Suche nach einer nicht verschlossenen Tür, fand aber keine. In diesem Augenblick tauchte Inspektor Flint aus seinem Versteck in der Besuchertoilette auf, Eva stürmte aus dem Wartezimmer, und die Psychiaterin verließ ihr Büro, um aus kurzsichtigen Augen zu betrachten, was da los war, wobei sie mit Eva kollidierte. In dem nun folgenden Getümmel änderte die Psychiaterin, die gestürzt war und der Inspektor Flint wieder auf die Füße half, ihre Meinung über Wilt.
    Falls die stämmige Frau, die sie umgeschmissen hatte, Mrs.   Wilt war – worauf die Anwesenheit der fast identischen jungen Mädchen hindeutete –, hatte sie für sein mangelndes Interesse an ehelichem Sex vollstes Verständnis. Und auch dafür, dass er Polizeischutz brauchte. Sie tastete nach ihrer Brille, setzte sie sich auf die Nase und zog sich wieder in ihr Büro zurück, gefolgt von Eva und Inspektor Flint; Eva, um sich zu entschuldigen, und Flint, widerstrebender, um herauszufinden, was Wilts
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