Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Einfaltspinsel

Der Einfaltspinsel

Titel: Der Einfaltspinsel
Autoren: Tom Sharpe
Vom Netzwerk:
Begutachtung ergeben hatte.
    Die Psychiaterin betrachtete Eva argwöhnisch und beschloss, gegen ihre Anwesenheit keine Einwände vorzubringen. »Sie wollen meine Meinung über den Patienten wissen?«, fragte sie.
    Der Inspektor nickte. In Evas Gegenwart hielt er Reden ist Silber, Schweigen ist Gold für die beste Devise.
    »Er wirkt völlig normal. Ich habe sämtliche Routinetests durchgeführt, die wir in solchen Fällen anwenden, und muss sagen, er weist keinerlei Zeichen von Abnormität auf. Es gibt überhaupt keinen Grund, weshalb er nicht nach Hause zurückkehren sollte.«
    Sie schloss die Akte und stand auf.
    »Das sagte ich Ihnen doch. Ihm fehlt gar nichts. Sie haben sie ja gehört«, fuhr Eva Flint an. »Sie haben kein Recht, ihn noch länger festzuhalten. Ich nehme ihn mit nach Hause.«
    »Ich finde wirklich, wir sollten dieses Gespräch unter vier Augen fortsetzen«, sagte der Inspektor.
    »Wie Sie wollen. Aber zufällig arbeite ich hier, und Sie sitzen in meinem Büro«, stellte die Psychiaterin fest, augenscheinlich bestrebt, diese enorm gefährliche Frau, die andere Leute umschmiss, aus dem Zimmer zu entfernen. »Sie können Ihre Diskussion ja im Besucherraum fortsetzen.«
    Flint folgte Eva auf den Flur und ins Wartezimmer.
    »Nun?«, sagte Eva, als der Inspektor die Tür schloss. »Ich will wissen, was vorgefallen ist, dass Sie meinen Henry in so eine grässliche Klinik schaffen.«
    »Mrs. Wilt, wenn Sie einfach Platz nehmen, werde ich mir Mühe geben, es zu erklären.«
    Eva setzte sich. »Das will ich hoffen«, blaffte sie.
    Flint überlegte, wie er ihr die Lage möglichst einleuchtend erklären konnte. Schließlich wollte er nicht, dass sie ausrastete. »Ich ließ Mr. Wilt zu einer einfachen Begutachtung hierher bringen, um ihn aus dem Krankenhaus zu schaffen, bevor zwei Amerikaner aus der US-Botschaft eintrafen, um ihn wegen irgendwelcher Ereignisse in den Staaten zu befragen. Es hat etwas mit Drogen zu tun. Ich habe keine Ahnung, worum es ging, und ich will es auch nicht wissen. Wichtiger ist, dass man ihn verdächtigt, irgendwie an der Ermordung eines Schattenministers namens Rottecombe beteiligt zu sein und … Ja, ich weiß auch, er könnte niemanden umbringen …«, fing er an, doch schon sprang Eva auf. »Sind Sie verrückt?«, brüllte sie. »Mein Henry könnte keiner Fliege etwas zu Leide tun. Er ist ein sanfter, freundlicher Mensch und kennt keine Politiker.«
    Inspektor Flint versuchte, sie zu beruhigen. »Das weiß ich doch, Mrs. Wilt, glauben Sie mir, aber Scotland Yard hat Beweise, dass er sich in Meldrum Slocum aufhielt, als der Schattenminister verschwand, und möchte ihn gern vernehmen.«
    Dieses eine Mal griff Eva auf Logik zurück. »Und wie viele Tausend andere Leute waren in der Gegend, als das passierte, wo immer es auch war?«
    »In Herefordshire«, rutschte dem Inspektor heraus.
    Evas Augen quollen vor, und sie lief puterrot an. »Herefordshire? Herefordshire? Sie sind wahnsinnig. Er kennt keinen Menschen in Herefordshire. Da war er noch nie. Wir fahren in den Sommerferien immer in den Lake District.«
    Flint hielt fatalistisch die Handflächen in die Höhe. Offenbar waren Wilts nebulöse Antworten ansteckend. »Das glaube ich Ihnen«, nuschelte er. »Daran zweifle ich keinen Augenblick. Ich sage ja nur …«
    »Dass Henry von Scotland Yard wegen der Ermordung eines Schattenministers gesucht wird. Und das nennen Sie ›nur‹?«
    »Ich habe nie behauptet, dass ihn Scotland Yard wegen Mordes sucht. Die Beamten dort wollen nur, dass er ihnen bei ihren Ermittlungen hilft.«
    »Und wir alle wissen ja, was das heißt, oder?«
    Der Inspektor versuchte krampfhaft, aus der Tirade schlau zu werden. Und wie immer bei den Wilts scheiterte er.

    Im zentralen Bereich der Nervenklinik war auch Wilt bei dem halbstündigen Versuch gescheitert, einen Weg ins Freie zu finden. Alle Türen waren verschlossen, und in seinem Aufzug wurde er von vier erkennbar geisteskranken Patienten angesprochen, von denen zwei protestierten, sie seien nicht depressiv und wollten auf keinen Fall noch einer Elektroschocktherapie unterzogen werden. Zwei näherten sich ihm, offenbar unter dem Einfluss irgendeines besonders starken antipsychotischen Medikaments und kicherten ausgesprochen bedrohlich.
    Wilt eilte weiter, von diesen Begegnungen und der Atmosphäre entnervt, und verfluchte seine seltsamen Klamotten. Durch ein Fenster sah er eine Rasenfläche, auf der Patienten herumspazierten oder in der Sonne auf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher