Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen
Autoren: Ruth Rendell
Vom Netzwerk:
ihnen mit einem nennenswerten Verdienst und nicht einer darunter, der wertvolle Geschenke gemacht hätte.
    Einer der Höhepunkte ihrer Woche waren jene Sekunden nach dem Aufwachen, in denen sie sich bewusst wurde, dass Samstag war. Wenn sie nicht irgendwohin fuhr oder ihr Neffe herüberkam, verlief der Vormittag immer nach demselben Muster – und der halbe Nachmittag auch, da sie dann auswärts zu Mittag aß. Nicht immer ging sie ins West End, manchmal auch nach Knightsbridge und dann wieder nach Covent Garden. Heute hatte sie sich für die Oxford Street und die Bond Street entschieden. Etwas würde sie sicher einkaufen, wenn auch nicht unbedingt etwas Großes, Kleinigkeiten eher, eigentlich Spielereien. Einen Lippenstift, eine CD, einen Schal, eine Flasche Badeöl oder einen Roman von den ersten zehn Plätzen der Bestsellerliste. Alles wurde ausgekostet: der Schaufensterbummel, das Herumschlendern und Schauen in den Geschäften, der Rundgang durch bisher nie besuchte Abteilungen, die langen Überlegungen, die dem Kauf von Kosmetika vorangingen, damit sie auch ja die zusätzliche Gratisprobe bekam. Ihr Badezimmerschränkchen quoll über von den Kosmetiktäschchen aller Größen und Farben, in denen die jeweiligen Pröbchen enthalten gewesen waren. Große Kleidungsstücke waren etwas ganz anderes. Bereits das Aussuchen war eine ernsthafte Angelegenheit, mit der sie sich schon im Voraus intensiv befasste.
    »Reich bin ich nicht«, pflegte sie zu sagen, »aber wohlhabend. Das kann ich behaupten.«
    Nur selten kaufte sie Kleidung, und wenn doch, handelte es sich um sehr gute und ebenso teure Stücke. Allerdings hatte die Suche danach und das Bezahlen nichts mit den erwähnten samstäglichen Ausflügen zu tun. Letztere waren reiner Übermut. Die Suche nach einem neuen schwarzen Kostüm fürs Büro oder nach einem hautengen Kleid für das Jahresabschlussessen der Firma war etwas ganz anderes. Alles, was mit Samstag zu tun hatte, war purer, unbeschwerter Genuss, vom ersten Augenblick, wenn sie das Haus verließ, um in Camden Town in die U-Bahn einzusteigen, bis zur Rückfahrt mit dem Taxi fünf oder sechs Stunden später.
    Für eine Tasse Kaffee wurde nie Zeit verschwendet. Stattdessen begab sie sich bis kurz vor ein Uhr auf ihren vorab festgelegten Rundgang. Dann war es Zeit, sich ein Restaurant, eine Cafeteria oder eine Austernbar in einem Geschäft zu suchen und eine Kleinigkeit zu Mittag zu essen. Anschließend warteten noch einige Geschäfte auf ihren Besuch, ja, manchmal wanderten ihre Gedanken sogar zu jenen Einkäufen, bei denen es um wichtige Kleidungsstücke ging, allerdings nur vorsichtig und abwartend. Tatsächlich etwas zu kaufen, kam für sie jetzt nicht in Frage, nicht einmal der Entschluss, es zu einem zukünftigen Zeitpunkt zu tun. Zwar fände auch ein Kleiderkauf dieser Größenordnung an einem Samstag statt, allerdings wäre der dann gänzlich für diesen Zweck reserviert, ohne die übliche Leichtigkeit und den Genuss.
    Sie kannte alle guten Taxistandplätze. Im Gegensatz zu Leuten, die den Fahrer im Befehlston anschnauzten, war sie stets höflich.
    »Würden Sie mich bitte zur Gloucester Avenue fahren?«
    Nicht immer wussten die Fahrer, wo diese Straße lag, und verwechselten sie mit Gloucester Terrace, Gloucester Place oder Gloucester Road.
    »Nördlich von Regent’s Park«, pflegte sie zu sagen. »Sie fahren Richtung Camden Town und biegen an der Ampel links ab.«
    Sie bat den Fahrer zu warten, während sie eine »Daily Mail« kaufte. Wieder daheim, machte sie sich Tee und vertiefte sich für zehn Minuten in die Zeitung. Das arme Mädchen, das man gestern Abend am Boston Place erdrosselt hatte, prangte mit einem Riesenfoto auf der Titelseite. »Caroline Dansk, 21«, lautete die Überschrift. Das jüngste Opfer des Rottweilers.
    »Der Polizei liegen keine neuen Informationen bezüglich der Identität jener Gestalt vor, die man als Schatten vom Tatort wegrennen sah«, las Becky. »›Es lasse sich nicht feststellen‹, meinte ein Sprecher, ›ob es sich um einen Mann oder eine Frau gehandelt habe.‹« Zwei Dinge kennzeichneten den Würger: seine Gewohnheit, der Leiche seines Opfers einen kleinen Gegenstand zu entwenden, und ein eher makabres Detail – ein Biss. Offensichtlich handle es sich bei dem gestohlenen Gegenstand diesmal um einen Schlüsselring. Die Schlüssel seien abgenommen und in Ms. Dansks Handtasche gelegt worden. Für eine Bisswunde gebe es keinerlei Anzeichen, ließen Quellen aus der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher