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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen
Autoren: Ruth Rendell
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bitten. Nach reiflicher Gewissenserforschung waren beide Algys Einladung zur Hochzeit gefolgt. Morton wollte sich unbedingt großmütig zeigen und seine Freundin zur Schau stellen. Dies wurde ihm gelohnt, als Algy ihn in seiner Festrede als den Menschen erwähnte, dem Braut und Bräutigam zu tiefster Dankbarkeit verpflichtet seien. Morton würde zwar nie recht wissen, wofür sie ihm dankbar waren, aber das war auch nicht sonderlich wichtig.
    Auch Inez war anwesend, mit dem Käufer der Chelsea-Porzellanuhr, den sie als dritten Mann geehelicht hatte. Das Geschäft und der Laden in der Star Street wurden verkauft, da Inez auf keinen Fall in einem Haus bleiben wollte, in dem ein Mörder gewohnt hatte und gestorben war. Sie erwarben ein Haus in Bourton-on-the-Water, wo der Jaguar grimmig zum Wohnzimmerfenster herausschaut. Inez mag vielleicht nicht überglücklich sein, aber sie ist doch ziemlich zufrieden. Was sie mit Martin gehabt hatte, darf man nicht mehr als einmal im Leben erwarten. Ihr Ehemann betet sie an, und sie mag ihn sehr gern. Wie heißt es so schön in einem Schlager von Merle Haggard? »Liebe ist es nicht, aber auch nicht schlecht.« Das sagt sie sich immer vor.
    Um die Vergangenheit ruhen zu lassen, hatte man auch Ludmilla und Freddy eingeladen, aber die Einladung hat sie nie erreicht. Sie sind nicht mehr zusammen. Ludmilla hatte zwar nichts gegen ihren Mann, aber mit der Ehe kam sie nur kurze Zeit zurecht. Sie ging eine Liaison mit einem Syrer ein, den sie im Restaurant »Al Dar« kennen gelernt hatte. Dieser nahm sie mit nach Aleppo, wo sie es nicht gerade leicht hat. Freddy zog bei einer netten mütterlichen Frau ein, die als Garderobenfrau in einem ziemlich guten Hotel arbeitet. Sie haben ein Zimmer im Haus ihrer Tochter in Shepherd’s Bush gemietet.
    Da Zeinab die Existenz von Will und Becky restlos aus ihrem Gedächtnis getilgt hatte, standen sie nicht auf der Gästeliste. Das Leben der beiden ist still und eng geworden. Will wohnt immer noch bei Becky in der Gloucester Avenue. Seine Arbeit bei Keith Beatty hat er aufgegeben und lebt nun von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Becky geht zwei Tage pro Woche ins Büro und versucht mühsam, die restliche Woche zu Hause zu arbeiten, obwohl inzwischen alle Zeichen darauf hindeuten, dass man ihr demnächst mitteilen wird, die Firma »müsse sich leider von ihr trennen«. Sie und Will bräuchten wirklich eine größere Wohnung, aber für einen Umzug fehlt ihr der Mut, und sie befürchtet, dass sie dazu finanziell bald nicht mehr in der Lage sein dürfte. Will ist selig. Er schaut den ganzen Tag fern, fordert von ihr, dass sie zweimal täglich für ihn kocht, wenn sie daheim ist, und wird fett. Becky weiß, dass er bei ihr und sie bei ihm sein wird, bis einer von beiden früher oder später stirbt.
    Zeinab, Algy und Reem Sharif, die im größten rot-goldenen Salwar-Kameez, den es in der Edgware Road zu kaufen gab, beim Empfang einfach hinreißend aussah, waren der Polizei möglichst immer aus dem Weg gegangen. Orville Pereira, der die Braut zum Altar führte, hat eine ähnliche Abneigung gegen die Justiz. Die Anwesenheit von Finlay Zulueta hätte die Feier gedämpft. Zum Beispiel hätte man unter seinen dunklen kalten missbilligenden Blicken wahrscheinlich nur noch gehemmt und linkisch getanzt. Wenn man ihn eingeladen hätte, hätte er abgesagt. Jedenfalls hat er sowieso viel zu viel zu tun, um auszugehen.
    Er hat seine Prüfungen mit sensationellem Erfolg bestanden und ist inzwischen Detective Inspector. Oft denkt er an Jeremy Quick alias Alexander Gibbons und grübelt darüber nach, was ihn dazu getrieben hatte, diese Frauen zu erwürgen – falls er es tatsächlich gewesen war. Warum hatte er ihnen diese kleinen Sachen gestohlen? Und warum hatte er versucht, statt eines Mädchens einen Jungen zu erwürgen? In seiner Freizeit studiert Zulueta auf dem zweiten Bildungsweg Psychologie. Vielleicht beschäftigt er sich deshalb so viel mit Dingen wie Motivation, Zwang und Obsession. Ein Gedanke beunruhigt ihn besonders: Wie er, zwischen Gewissensbissen und Erregung schwankend, die Erschießung dieses Mannes durch die Gewehrkugel eines Scharfschützen erlebt und wie erstaunt er Jeremys strahlendes Lächeln zum Zeitpunkt seines Todes registriert hatte. Diese Emotionen sollte kein reifer und verantwortungsbewusster Polizeibeamter höheren Ranges empfinden, das spürt er genau. Dennoch war es sicher gestattet, sich nach dem Grund dieses Lächelns zu fragen. Es war,
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