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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen
Autoren: Ruth Rendell
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der Wollust. Bis auf das eine Mal hatte er selbst davon nie viel verspürt. Aber einmal schon. Gerne hätte er über diese Enthüllung am Ende seines Lebens gelacht. Er konnte es nicht. Noch einmal bedankte er sich höflich bei ihr, denn jetzt war er Alexander, und legte den Hörer auf. Ludmilla erstarrte, drehte sich um, packte sein Handgelenk und schrie: »Das ist keine echte Pistole! Wenn sie aus Metall wäre, wäre sie kälter. Plastik ist das. Ich kann spüren, dass es Plastik ist!«
    Sie war aufgesprungen. Mit überraschender Kraft packte sie ihn an allen möglichen Stellen und zerkratzte ihm schließlich mit den Nägeln das Gesicht. Er schrie auf, nicht wegen der Kratzer oder weil es wehtat, sondern weil seine letzte Hoffnung zerronnen wäre, wenn sie ihm entwischte. Er trat ihr gegen das Schienbein, wobei er immer noch die Pistole umklammerte, schlug ihr ins Gesicht und packte sie unter den Armen. Zuerst von vorne. Sie wehrte sich und funkelte ihn wütend an, dann schleuderte er sie mit aller Kraft herum und drückte sie so nahe ans Fenster, dass sie beinahe hinausgestürzt wäre. Von unten drang lautes Geheul herauf. Freddy war aus dem Laden gekommen und rang verzweifelt die Hände.
    Jetzt nutzte Jeremy sie als Schild. Er umklammerte ihre Taille. Allerdings wollte er unbedingt sicherstellen, dass er ihnen als Zielscheibe diente. Er konnte sie lediglich mit einer Hand fest halten. Die andere hob er und deutete auf Zulueta, der herausgekommen war, um Freddy hineinzuzerren. Wenn Ludmilla jetzt herausbrüllen würde, dass die Pistole eine Attrappe war, wäre alles vorbei und seine Hoffnung auf einen Tod durch ein Hinrichtungskommando zunichte … Plötzlich begriff er: Genau das würde sie natürlich nicht tun! Sie wünschte ihm ebenso den Tod wie er sich. Es war, als hätte sie seine Gedanken gehört. Noch einmal machte sie den verzweifelten Versuch, sich loszureißen.
    Er lockerte seine Umklammerung. Sie sackte auf die Knie und rollte sich am Boden von ihm weg. Libido, dachte er, so heißt also jetzt der Duft, der ihn gegen seinen Willen und seine Natur zum Mörder gemacht hatte. Meine arme Mutter, dachte er. Plötzlich richtete er mit einem Lächeln die Pistole auf die Scharfschützen.
    Sie erschossen ihn.

30
    Dorothy Gibbons trauerte untröstlich um ihren Sohn. Da ihm nichts wirklich bewiesen werden konnte und man ihm nie den Prozess gemacht hatte, betrachtete sie ihn bis an ihr Lebensende als Justizopfer. Als sie sich nach der Beerdigung erstmals wieder aus dem Haus wagte, traf sie zufällig in einem Geschäft am Ort eine Frau, die sie fünfunddreißig Jahre lang nicht mehr gesehen hatte. Keine hatte sich bis zur Unkenntlichkeit verändert. Vielleicht hatte Dorothy ein wenig Mühe, Tess Maynard zu erkennen, Tess hingegen erkannte sie sofort wieder. Ihre alte Freundschaft lebte wieder auf. Da auch Tess alleine war – sie hatte sich erst kürzlich von ihrem zweiten Mann scheiden lassen –, zogen die beiden zusammen. Diese Lebensgemeinschaft funktioniert ausgezeichnet.
    Zeinab und Algy blieben nur sechs Monate in der Wohnung in Pimlico, dann leisteten sie eine hohe Anzahlung für ein Haus in Borehamwood, dessen restliche Hypothek sie jetzt abzahlen. Algy hat einen guten Job bei einer Immobilienfirma bekommen. Zeinab ist wieder schwanger. Wenn es ein Mädchen wird, will sie es Inez nennen, und ein Junge würde Morton heißen, denn schließlich verdanken sie Morton Phibling die Basis ihres Reichtums, wie sie Algy stets ins Gedächtnis ruft.
    Zeinab hat Algys Drängen nachgegeben. Vor zwei Wochen haben sie geheiratet, wobei die Braut jenes Kleid trug, das anlässlich ihrer Hochzeit mit Morton kreiert worden war. Die Zeremonie war keine allzu große Sache, der Hochzeitsempfang dagegen absolut grandios. Er fand in Orville Pereiras neuem Hotel im Norden von London statt.
    Trotz seiner Wut über das Nichterscheinen seiner Braut in St. Peter’s am Eaton Square ist Morton inzwischen darüber weg. Schließlich entwickelte sich eine ganze Menge daraus, nicht zuletzt sein himmlischer Triumph, dass er Rowley Woodhouse, einen halb so alten Mann, k.o. geschlagen und auf die Matte gelegt hatte. Ein Ereignis, das in seiner aktiven Boxerzeit kaum seinesgleichen hatte. Seine neue Freundin ist genauso alt wie angeblich Zeinab und liebt ebenfalls Diamanten und teure Restaurants über alles. Ansonsten ist sie gänzlich anders. Sie ist blond, reizend und nicht sonderlich keusch. Mittlerweile erwägt Morton, sie um ihre Hand zu
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