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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen
Autoren: Ruth Rendell
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»Verzeihung?«, sagte er zu der blassen Blondine.
    Sie drehte sich um. Er stellte sich vor, diese freundlich-tolerante und verständnisvolle Miene habe man ihr speziell für männliche Kunden antrainiert. »Kann ich Ihnen behilflich sein?«
    Zum ersten Mal ärgerte er sich nicht über diese lächerliche Worthülse, die im normalen Alltagssprachgebrauch keinen Platz hatte, und sagte fast schüchtern: »Vor einer Woche bin ich schon mal hier gewesen, und Ihre Freundin hat mich mit einem Parfüm besprüht …«
    »Meine Freundin?«
    »Die junge Dame, mit der Sie sich eben unterhalten haben. Könnten Sie mir vielleicht verraten, wie dieses Parfüm hieß?«
    »Nun, eigentlich arbeitet Nicky nicht mit unseren Produkten. Ihr Stand ist dort drüben.« Sie deutete auf eine andere Theke, hinter der eine neue Kollektion von Schachteln, Flaschen und Tiegeln stand. »Aber sie ist jetzt in einem Meeting.«
    Diese Ausrede, mit der sonst üblicherweise die Abwesenheit irgendwelcher Firmenbosse oder Topmanager entschuldigt wurde, schockierte ihn geradezu. Er kam sich alt vor, als hätte man ihn in eine neue, fremde Welt verfrachtet. Anscheinend hatte er nur noch eine Wahl: sich nach Hause zu begeben, sich zu verteidigen und notfalls alles zu beenden.
    Wie Tränen schimmerte Mitgefühl in ihren Augen. »Können Sie sich noch an das Datum erinnern? Und wie das – äh, Duftwasser ausgesehen hat?«
    »Am Samstag war es gewesen, am ersten Juni. Vormittags. Ich bilde mir ein, es sah – schwarz und golden war es. Sie hat mich damit besprüht, ich musste – ich will …«
    »Ich verstehe«, sagte sie, während er nur eines denken konnte: Wie wenig sie in Wahrheit verstehen konnte. »Ich könnte es für Sie herausfinden. Ich heiße Lara – wenn Sie mir Ihre Telefonnummer hier lassen …«
    Da er für die Star Street keine Visitenkarte besaß, sagte er ihr die Nummer, und sie schrieb sie auf. Ganz sicher würde er nie etwas von ihr hören. Angenommen, der unwahrscheinliche Fall träte ein und sie würde den Zettel nicht verlieren oder vergessen, dann käme ihr Anruf bei ihm sowieso zu spät. Während er sich bei ihr bedankte, wurde ihm bewusst, dass Jeremy Quick im Laufe der letzten Stunden bescheiden geworden war. Seine übliche Arroganz versickerte allmählich, während Alexander Gibbons leise seine Stelle einnahm.
    Er durfte sich der Star Street nur vorsichtig nähern und war dankbar, dass es während seines Besuchs im Kaufhaus zu regnen begonnen hatte. Es war ein feiner Nieselregen, der wie Nebel in der Luft hing und den Geruch nach Dieselöl und Fastfood verstärkte. Eine Heimfahrt im Taxi kam nicht in Frage, aber es war ja nicht weit. Er beschloss, zu Fuß zu gehen. Wenn dort Polizeifahrzeuge stünden, wenn der Wagen von Crippen oder von Zulueta dort wäre – den dunkelroten Audi des Inspectors und den blauen Honda des Sergeants würde er von weitem erkennen –, würde er den Rückzug antreten und sich eine neue Strategie einfallen lassen. Vielleicht wären es aber auch gar nicht diese speziellen Beamten. Beide, oder einer, könnten sich einen Tag freigenommen haben. Man könnte diesen Fall auch einem ganz neuen Team übertragen haben. Er ging den Seymour Place hinauf und bog nach links in die George Street ein. Vor ihm lag die Edgware Road.
    Mit ziemlicher Sicherheit war der Junge im schwarzen Schleier gestern Nacht nicht zur Polizei gegangen. Andernfalls hätte man Jeremy schon gleich am Morgen geholt, wie er es verzweifelt befürchtet hatte, als er schlaflos da lag und die Wachträume vor seinen Augen abliefen. Und was war aus seiner Theorie geworden, »diese Leute«, der Junge und seine Freundin, würden so spät ins Bett gehen, dass sie sich immer erst am späten Nachmittag ins Tagesgeschehen einklinkten? Im Notfall würde das sicher nicht gelten, nicht wenn sie das Würgemal am Hals ihres Freundes sähe. Dann hätte er nicht bis heute Morgen gewartet …
    Inzwischen überquerte er schon die Edgware Road. Er war klatschnass. Kurzfristig hatte er den Kauf eines Schirms erwogen und die Idee dann wieder fallen gelassen. Er überlegte, aus welcher Richtung er sich am sichersten nähern könnte. Man würde von ihm erwarten, dass er entweder von hier aus die Star Street hinaufginge oder vom Norfolk Square herunterkäme. Deshalb würde er die St. Michael’s Street nehmen. Er ahnte nicht, dass man ihn von einem Fenster auf der rechten Seite beobachtete. Anwar deutete auf ihn, während er mit Flint im Eingangsbereich stand und durch
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