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Eine hinreißend widerspenstige Lady

Titel: Eine hinreißend widerspenstige Lady
Autoren: Loretta Chase
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1. KAPITEL
    2. April 1821,
    am Stadtrand von Kairo, Ägypten
    Seiner Mutter war es zu verdanken, dass Rupert Carsington so dunkle Augen hatte und so dunkles Haar wie ein jeder Ägypter -was keineswegs hieß, dass er in der Menschenmenge auf der Brücke nicht aufgefallen wäre. Denn erstens überragte er jeden um Haupteslänge, und zweitens wiesen seine Kleider und sein Gebaren ihn als Engländer aus. Den Türken und Ägyptern, die einen Mann gern nach der Güte seines Gewandes beurteilten, dürfte zudem auffallen, dass er nicht von niederer Geburt war.
    Damit waren die Einheimischen dem Sohn des Earl of Hargate gegenüber im Vorteil.
    Rupert, der vor gerade einmal sechs Wochen in Ägypten eingetroffen war, wusste nämlich noch nicht die unzähligen orientalischen Stämme und Nationalitäten voneinander zu unterscheiden, und den gesellschaftlichen Rang eines Mannes auf den ersten Blick zu bestimmen, vermochte er schon gleich gar nicht.
    Aber eine unfaire Partie erkannte er sehr wohl.
    Der Soldat war fast so groß wie Rupert und wie ein Kriegsschiff bewaffnet: Drei Messer, zwei Säbel und zwei Pistolen sowie allerlei Munition hingen an seinem breiten Gürtel. Und in der Hand hatte er zudem noch einen schweren Knüppel, mit dem er in recht unfreundlicher Manier vor einem humpelnden und ziemlich übel zugerichteten Gesellen herumfuchtelte.
    Soweit Rupert dies sehen konnte, bestand das Vergehen des armen Teufels lediglich darin, zu langsam zu sein. Der Soldat brüllte irgendeine fremdländische Drohung oder einen Fluch. Entsetzt wich der verwahrloste Fellache zurück, taumelte und fiel. Der Soldat holte mit seinem Knüppel aus und zielte auf die Beine des Mannes, der sich indes geschickt zur Seite rollte, sodass der Schlag nur die Brücke traf. Wütend hob der Soldat den Prügel abermals und wollte ihn nun auf den Kopf des Unglücklichen niedersausen lassen.
    Da drängte Rupert durch die sich sammelnde Menge, stieß den Soldaten zurück und entriss den Knüppel seinen Händen. Als der Soldat nach einem Messer griff, holte Rupert aus und schlug ihm die Klinge aus der Hand. Bevor sein Gegner noch eine weitere Waffe aus seinem Arsenal zücken konnte, attackierte Rupert ihn erneut. Zwar duckte der Mann sich rasch hinweg, doch der hölzerne Prügel erwischte ihn knapp, aber so empfindlich an der Hüfte, dass er flugs zu Boden ging. Im Pall griff er nach seiner Pistole, doch abermals schwang Rupert den Knüppel. Sein Gegner heulte auf vor Schmerz und ließ die Pistole fallen.
    „Lauf! “, rief Rupert dem zerlumpten Lahmen zu, der noch immer am Boden lag und wohl kaum das englische Wort, wohl aber die damit einhergehende Geste verstanden haben musste, rappelte er sich doch geschwind auf und humpelte davon.
    Rupert schaute ihm hinterher - etwas zu lange, wie sich zeigen sollte, denn es bahnten sich bereits weitere Soldaten gewaltsam ihren Weg durch die Menge. Im Nu hatten sie Rupert umzingelt.
    Die Kunde von der Auseinandersetzung auf der Brücke verbreitete sich rasch. Mit einigen malerischen Details versehen, fand sie ihren Weg auch nach El-Esbekieh, einem etwa eine halbe Meile entfernt gelegenen Viertel Kairos, in dem Reisende aus Europa zumeist logierten.
    Während der alljährlichen Überschwemmungen im Spätsommer verwandelte der über die Ufer tretende Nil den großen achteckigen, Esbekieh genannten Platz des Viertels in einen See, der von kleinen Barken befahren wurde. Da der Fluss derzeit jedoch niedrig stand, erstreckte sich lediglich eine weite irdene Fläche zwischen den umliegenden Häusern.
    In einem dieser Häuser wartete eine mäßig besorgte Daphne Pembroke auf ihren Bruder Miles. Der Tag schwand dahin. Wenn Miles nicht bald käme, würde er nicht mehr eingelassen werden, denn nach Einbruch der Dunkelheit wurden die Tore der Stadt verschlossen. Auch in Zeiten der Pest oder des Aufruhrs blieben sie verschlossen, und beides waren in Kairo regelmäßige Vorkommnisse.
    Daphne lauschte indes nur mit halbem Ohr der Ankunft ihres Bruders, widmete sie den Großteil ihrer Aufmerksamkeit doch den Dokumenten, die sie vor sich ausgebreitet hatte.
    Darunter waren eine Lithografie des Steins von Rosetta, ein kürzlich erworbener Papyrus sowie eine mit Bleistift und Tinte verfasste Abschrift des Letzteren. Daphne war fast neun-undzwanzig Jahre alt und hatte die letzten zehn Jahre mit dem Versuch zugebracht, das Geheimnis der ägyptischen Schrift zu durchdringen.
    Als sie das erste Mal Hieroglyphen gesehen hatte, war es um
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