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Der Dominoeffekt

Der Dominoeffekt

Titel: Der Dominoeffekt
Autoren: Theo Pointner
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sich die angeschlagenen Zehen. »Wegen dieser Lego-Scheiße brech ich mir irgendwann nochmal den Hals.«
    »Es tut mir leid«, antwortete Kevin und hatte deutlich Mühe, seine Tränen zurückzuhalten. Bevor eine weitere Schimpfkanonade über ihn ergehen konnte, ging er auf die Knie und sammelte die Bauklötze vom Boden auf.
    Kaludzinsky grunzte zufrieden und schwang die Tür zur Küche auf. Astrid schaufelte einen gewaltigen Berg Rührei mit Speck auf einen Teller, der Toast war im richtigen Moment fertig.
    »Ich hab dir schon tausendmal gesagt, du sollst dem Jungen Ordnung beibringen. Sieht ja hier aus wie im Schweinestall.«
    »Was war denn jetzt schon wieder?«, fragte Astrid desinteressiert und holte den Orangensaft aus dem Kühlschrank.
    »Er hat wie immer sein Spielzeug in der Diele rumliegen lassen«, informierte Kaludzinsky seine Freundin, allerdings schon wieder halbwegs beruhigt.
    »Jörn, Kevin ist erst acht. Da sind andere Sachen wichtiger.«
    »Klar, nimm ihn noch in Schutz. Wenn der das nicht von Anfang an lernt, kriegste das nie in den rein.«
    Astrid strich sich eine Strähne ihres schwarzen Haares, das sie im Nacken zu einem Knoten gebunden hatte, aus der Stirn, füllte zwei Gläser mit dem Saft und setzte sich an den kleinen, schäbigen Küchentisch. »Ich wusste gar nicht, dass du ein Pädagogik-Experte bist«, schmunzelte sie dann.
    »Lässt du den Kröten im Kindergarten etwa auch alles durchgehen?«, gab Kaludzinsky zurück und rammte die Gabel in den Berg aus Eiern. »Also ehrlich, dieser ganze Mist mit antiautoritärer Dingenskirchen ist doch was für den Eimer.«
    »Schatz, fang nicht wieder damit an. Du kannst Kinder in dem Alter nicht dazu verdonnern, alle zehn Minuten aufzuräumen.«
    »Meine Eltern haben immer auf Sauberkeit und Ordnung geachtet«, dozierte der Kahlköpfige mit vollem Mund. »Und, hat mir das etwa geschadet?«
    Genutzt aber auch nichts, dachte Astrid, ging jedoch nicht auf die Ausführungen ihres Freundes ein. Es gab Punkte, über die man sich einfach nicht mit ihm unterhalten konnte.
    »Möchtest du einen Kaffee?«, fragte sie stattdessen.
    »Nee, nicht bei der Hitze. Aber ‘ne Thermoskanne könntest du mir machen, nachher für die Pause. Und ein paar Dubbels vielleicht.«
    »Sind schon fertig«, meinte Astrid. »Ein bisschen Obst hab ich dir auch eingepackt. Und den Kaffee koch ich nachher frisch.«
    Zufrieden schaufelte Kaludzinsky eine neue Ladung Rührei in seinen Mund und zog die Zeitung heran. Sein Blick durchfurchte wohl schon zum fünften Mal den Artikel, in dem die neuesten Spielerverkäufe der verhassten Dortmunder Borussen angekündigt wurden. Als eingefleischter Schalke-Fan konnte man derart gute Nachrichten nicht oft genug lesen.
    »Denkst du daran, dass wir am Wochenende zu meiner Mutter müssen?«, störte ihn Astrid bei seiner Lektüre.
    »Warum das denn?«
    »Jörn, ich bitte dich, Mama wird sechzig. Da müssen wir hin.«
    »Wann denn?«
    »Sonntagnachmittag, zum Kaffee. Und Abendbrot essen wir wohl auch da.«
    »Mann, wenn ich endlich mal ein paar Tage frei habe? Muss das wirklich sein?«
    Die Kindergärtnerin gönnte ihm einen bitterbösen Blick.
    »Ist ja schon gut«, lenkte Kaludzinsky ein. »Kommt dein bescheuerter Bruder etwa auch?«
    »Nein, Uwe ist dann noch in Urlaub. Ist wohl besser so.«
    »Stimmt«, murmelte Kaludzinsky und leerte mit einem Zug sein Glas.
    Im Wohnzimmer plärrte das Telefon, Astrid sprang auf.
    Kaludzinsky sah ihr nach und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Mit dieser Frau hatte er das große Los gezogen, Astrid war nicht nur intelligent – wesentlich intelligenter als er, das gestand er neidlos ein –, sie hatte auch einen absolut geilen Body… Gerade als er in die Küche gekommen war und sie in dem knappen Jeansrock und dem T-Shirt gesehen hatte, hätte er am liebsten auf sein Abendessen verzichtet und wäre gerne zu einem besonders süßen Dessert übergegangen, aber dann hätte es wieder geheißen, nicht, solange der Junge nebenan spielt.
    Dabei war dieses verdammte Blag gar nicht von ihm, sondern von Astrids Verflossenem. Na ja, so schlimm war Kevin auch nicht. Da bekam er, wenn er seine Touren in der Innenstadt fuhr, ganz andere Kaliber zu sehen. Und mit Astrid hatte er endlich in seinem Leben auch mal Glück gehabt.
    In vielen anderen Dingen war er allerdings, so sah Kaludzinsky es, betrogen worden. Schon als kleiner Junge hatte er davon geträumt, einen Beruf zu ergreifen, in dem er eine Uniform tragen
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