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Der Dominoeffekt

Der Dominoeffekt

Titel: Der Dominoeffekt
Autoren: Theo Pointner
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Kamarov ein Russe. Er organisierte alles, was sie benötigten, angefangen von Werkzeugen, über Waffen, bis hin zu einem Lkw, wie sie ihn bei diesem Bruch benötigten. Er verstand zwar etwas Deutsch, aber wenn er sich unterhielt, dann meistens nur mit Kamarov in seiner Muttersprache.
    Adrian direkt gegenüber saß Miguel, ein dunkelhäutiger Mann Ende vierzig, der aus Südamerika stammte. Genaueres wusste niemand, Miguel sprach nie; weder Deutsch noch irgendeine andere Sprache – außer wenn er mit einer Nutte aufs Zimmer ging. Jedenfalls hatte Adrian mal bei einem ihrer seltenen Bordellbesuche durch die Zimmerwand ein paar Laute, die von Miguel gestammt haben mussten, gehört. Der Südamerikaner war der Mann fürs Grobe.
    So wie auch Juri Kamarov. Aber er hatte darüber hinaus die Befehlsgewalt, was der Big Boss unmissverständlich klar gemacht hatte, nachdem sie in Deutschland angekommen waren. Angesichts von Juris Statur, der muskelbepackten Oberarme und der Tatsache, dass ihn eine Tätowierung als ehemaliges Mitglied einer dem russischen Militär angegliederten Eliteeinheit auswies, schien es jedoch ohnehin unklug, Kamarov zu widersprechen.
    »Der Laden liegt mitten in einer Einkaufszone«, nahm Kamarov den Faden auf. »Wenn wir dort eintreffen, ist da bestimmt nichts mehr los, ich habe das zwei Nächte erlebt. Gegen vier Uhr kommt ein Wachdienst vorbei, danach ist wieder Ruhe. Wenn die Alarmanlage los geht, haben wir maximal drei Minuten, bis die Bullen kommen. Ich schätze aber, eher nur zwei Minuten. Miguel und Alexej, habt ihr das verstanden?«
    Die beiden Angesprochenen nickten. Genug Zeit, das Schaufenster leer zu räumen.
    »Ich fahre den Lkw, Adrian wartet mit dem Benz direkt in der Einkaufszone. Hast du dir den Fluchtweg gemerkt?«
    »Klar«, bestätigte der Jüngling und grinste. Etliche Stunden war er während der letzten Woche durch die Bochumer Innenstadt gelaufen, bis er jeden Pflasterstein selbst im Dunkeln mit Vornamen erkennen konnte. Er hatte vier Routen gefunden, über die sie nach dem Bruch verschwinden konnten, zwei hatte er in die engere Wahl gezogen. Die Aufgabe schien kein Problem darzustellen.
    »Wir wollen nur die Uhren, Cartier, Rolex, Breitling, das teure Zeug. Ein paar Sachen aus Platin liegen daneben in den Fenstern, die könnt ihr meinetwegen auch noch einpacken. Mit dem Lkw versperren wir eine Zufahrtsmöglichkeit, die, aus der die Bullen am ehesten anrücken. Wenn wir es bis zum ersten Punkt schaffen, steigen wir drei aus, Adrian fährt mit der Beute zum zweiten Wagen und versteckt die Beute. Anschließend sieht er zu, dass er den Benz los wird, dann treffen wir uns alle am Sammelpunkt. Den zweiten Wagen holen wir morgen ab. Noch Fragen?«
    Natürlich schüttelten die Männer die Köpfe.
    »Dann legt euch noch ein paar Stunden aufs Ohr. Um zwei Uhr wecke ich euch.«
    Adrian ging in die kleine Waschkabine des Wohnmobils und nahm die Putzarbeiten an seinen Händen wieder auf. Unter den Fingernägeln zeigten sich immer noch Dreckspuren, vielleicht half ja die grobkörnige Waschpaste, die Juri gestern mitgebracht hatte.
    Diese Deutschen waren schon ein komisches Volk. In seiner Heimatstadt Serebescen, diesem elenden Kaff in den Karpaten, mitten in Transsylvanien, hatte er zum ersten Mal welche kennen gelernt. In den NATO-Block, in dem er als Kind wohnte, einem bröckelnden, verwitterten Betonklotz, in dem es keine Türen vor den Wohnungen gab, waren die Nonnen und Pater aus dem deutschen Orden gekommen. Lebensmittel hatten sie mitgebracht, Kleidung oder manchmal auch Spielsachen.
    Seinen Geschwistern und ihm ermöglichte der Orden später, zur Schule zu gehen. Na ja, halbwegs, wenigstens wurde ihnen dort Lesen und Schreiben beigebracht, ein wenig Rechnen, und eine Mahlzeit gab es dort auch jeden Tag. Besonders Werner, der Pater, der die beiden altersschwachen Fahrzeuge des Ordens reparierte, hatte es ihm und Ion, seinem Bruder, angetan. Werner zeigte ihnen, wie man einen Motor auseinander nahm und wieder zusammenbaute, ließ die Jungen auf dem Gelände des Klosters erste Runden mit einem Auto drehen und natürlich lernten sie so auch etwas Deutsch.
    Es hatte damals zum Ehrenkodex gehört, nichts aus dem Kloster zu stehlen. Die reichen Leute zu beklauen, die im Zentrum der Stadt wohnten, in einem der besseren Häuser, in denen das Wasser aus einem Hahn kam und nicht an den Wänden herablief, die sogar ein Fahrrad oder – was ganz selten vorkam – einen eigenen Wagen besaßen, das
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